1. Jogglgschicht
Der Joggl ist ein zünftiger Bursch. Auf der höchsten Bergspitz lässt er im Kopfstand jodelnd seine Peitsche knallen. Nur so. Aus purer Freude am Leben.
„Holalareituliö, heit tuat mr dr Kopf so weh“, singt er lachend. Und da ihm diese Sicht der Welt großen Spaß macht, beschließt er, im Handstand einmal um die Welt zu gehen.
Die Kühe mit dem Euter in der Höh verabschieden sich belustigt von ihrem Herrn. Auf dem Weg zur Stadt wird Joggl allmählich müde, doch da gibt´s nix – was ein richtiger Bursch ist, kennt keine Müdigkeit, und bis zum Rathaus muss er noch durchhalten.
„Holalareituliö, heit tuat mr dr Kopf so weh“, singt er den Städtern zur Begrüßung.
Was da für schöne Frauen sind, lauter gepuderte und mit kurzen Röcken, diese Stadtweiber sind schon eine Sünde wert, oder gar zwei. Aber halt auf dem Kopf wird´s schwer werden, Joggl, vielleicht weiß der Bürgermeister Rat. Die Leute toben, und der Kopf begann weh und weher zu tun.
Wie kommt man an so eine Frau heran? Weil, da gibt´s nix, was ein richtiger Bursch ist, steht auf dem Kopf, auch wenn´s um ein Weibsbild geht. Joggl du kerniger, Joggl du stolzer, im Kopf muss man´s haben, im harten. „Holalareituliö, heit tuat mr dr Kopf so weh“. Nach dem Empfang beim Bürgermeister geht Joggl ins Hotel.
Das Bett war viel zu groß, das merkte er gleich, ein so ein großes Bett, da weiß ja keiner, wo man den Kopf hintun soll. Das war nun ein Problem, denn wenn Joggl sich so hinlegte, dass sein Kopf und der obere Bettrand einigermaßen zueinander passten, gab´s unten viel zu viel leeren Platz, auch umgekehrt, wenn er dasselbe mit den Füßen und dem unteren Bettrand probierte, war das Problem nicht zu lösen. Auch seitwärts gab´s Schwierigkeiten. Die ganze Nacht wanderte Joggl von einem Ort zum anderen, krabbelte von einer Ecke in die andere, vom Nordpol zum Südpol, das weiße Meer in Leinen gehüllt, und nirgends ein ruhiges Plätzchen. Am Morgen gab man ihm zwei Aspirin und einen Kopfpolster zum ausruhen.
Bald war Joggl in Ägypten und bei der Sphinx. Wie auf der Erde aufgehängt waren da die Weltenwunder, der geilen Löwendame schienen die Ohren bald herunterzuklappen. „Halt die Ohren steif“, rief ihr Joggl im Vorbeigehen zu.
Dann ging er übern Indischen Ozean, mit einem kleinen Schwimmreifen am Haupte, und fühlte sich wie unser Herr, weil er auf dem Kopf nicht unterging und mühelos das salzige Naß vermied. Da sang er zu den Fischen: „Holalareituliö, dr Kopf tuat mr nimmer so weh“.
In Indien standen Fakire Spalier, auch die Roten Chmer ließen ihm zu Ehren die Köpfe rollen, in China wurden neue Weisheiten entdeckt, wie: Der ewige Gang auf dem Haupte gibt Gelegenheit zum Ausstrecken der Glieder. In Japan fand Joggl endlich eine Geisha, die wusste wie, und er liebte sie zwei Tage und nachtens nie, weil dort auch die Betten kürzer waren. Eine andere noble Dame ließ ihn den Kopf zwischen ihre Füße klemmen, damit er einen besseren Stand bekäme.
Allerlei Eigentümliches erlebte Joggl noch, und froh war er, als er wieder zu Hause war, seine Kühe noch immer dieselben waren, er endlich wieder auf die Füße kam und jauchzend feststellen konnte: „Holalareituliö, iatz tian mr die Fiaß so weh“.
2. Jogglgschicht
Joggl geaht noch Afrika, siecht a schworzes Madl, moant es isch a Schokolad, beißt ihm in die Wadl.
Diese ewigen Missverständnisse. Da also wurde einem nie erzählt, dass es Schwarze gibt, richtige, lebendige.
Der Joggl aber war enttäuscht und verwirrt, ersteres weil seine Lust auf Schokolade nicht befriedigt worden war, zweiteres weil da plötzlich eine andere Lust zugegen war, das dunkle Fleisch, und er nicht wusste, wie ihm geschah.
Das schworze Madl nahm den bloachn Todl in seine Hüften und tausend Schilling fürs Glasl Wein, und am Montag war er wieder bei den Kühen auf der Alm.
Kommt nach einem halben Jahr nicht dasselbe schworze Madl zum Joggl, mit einer dunklen Reisegesellschaft, und da, zwischen Focknstoll und Kuheuter, konnten die beiden ihr Erlebnis austauschen.
"So bleibt die Welt halt im rechten Lot", sagt sich der Bursch und haut sich mit den Innenseiten seiner großen Hände mit voller Wucht auf die nackten Wadl, so dass ihm der Herrgott im Winkel ganz rot anzulaufen schien, aber was ein richtiger Bursch ist, dem tuat des nix, und wams, haut sich der Joggl ein zweites Mal auf die Schenkel. Da nahm der Herrgott die linke Hand vom Nagl, erhob den Zeigefinger und sprach: "Joggl, du treuer Diener, sollst nicht unkeusch dich begreifen."
Und Joggl bat um Verzeihung und bekreuzigte sich und seine Wadl, erkannte die Sünde und bereute sie, und dann dachte er noch an die großen Titten seiner schwarzen Freundin, und der Herrgott lächelte verständnisvoll.
3. Jogglschicht
Kommt eines Tages ein Regierungsvertreter zu Joggl und schenkt ihm einen Orden, weil er halt so brav seine Rasse vertritt und die alten Werte. Das Fernsehen ist auch dabei. Das Alpenwetter zeigt sich von seiner besten Seite, und grün die Wiesn und blau der Himmel flimmern die Bilder ins Land.
Der Joggl aber lässt seine Peitsche knallen und jodelt dazu. Milka, das schönste Mädchen, muht eifersüchtig die Kameraleute an, der Joggl gehört ihr, da solln diese Stadtaffen bloß Ruhe geben.
Nichts Schöneres, als eine muhende Kuh bei diesem Wetter vor der Kamera zu haben.
Ein Drachenflieger spannt den Bogen zur Ewigkeit, der Enzian blüht, ein Hund kommt gelaufen und schnuppert an des Herrchens Füßen, das Echo rollt von Wand zu Wand.
Der Politiker freut sich im Namen des Volkes, er selber hat noch einen Brand von gestern Nacht, das Volk sieht endlich wieder einmal eine Kultursendung, wo´s lustig ist und schön. Da wird´s der Milka zuviel, und sie springt in die Kamera und dann in Millionen von Wohnzimmern. Da steht sie nun, in unendlichen Exemplaren vervielfältigt, vor den Familien. Die Frauen kreischen, die Mädchen machen in die Hose, die Buben laufen zu Papa, und diese rufen die Feuerwehren. Im ganzen Land der Schrei: "Hilfe, die Kuh", und Milka muss urinieren und krümmt sich ungeschickt, den Schwanz in die Höh und pscht, pscht, pscht - der dicke Strahl auf die Teppichböden.
Joggl aber schaut in die Kamera hinein und ruft nach seiner Milka und steck seinen Schädel durch die Linsen, schaut aus Millionen Fernsehern mit dem Kopf heraus und sieht die Milka und die Lacke am Boden.
Mensch, ist das peinlich. Milka, du Schweinderl, bei den Herrschaften sollst sowas net machn. Da nimmt sich auch die Kuh millionenfach ein Herz, und überall wandert in den Wohnzimmern des Landes ein Rindvieh durch die zertrümmerten TV-Apparate zurück in die Heimat, und auch der Kopf vom Joggl verschwindet. Nur der nasse, stinkige Teppichboden bleibt zurück, und eine zerstörte Bildwand.
4. Jogglgschicht
Weil das Spielen mit den Kuatuttn mit der Zeit auch langweilig werden kann, hat sich der Joggl ein Videospiel gekauft.
Mit Milka sitzt er nach Feierabend gemütlich auf der Ofenbank, und auf dem Bildschirm springt ein kleines Männchen munter die Leiter hinauf, und dahinter die Verfolger. Tut, tutut, singt der Apparat, und das Männchen verschwindet, und minus eins leuchtet auf. Milka freut sich, und der Joggl auch, weil das ist was Schönes, und wie wird´s weitergehen?
Bei minus sechs beginnt Milka zu gähnen, und Joggl wird traurig. Später dann pipst´s und tutet´s noch lange weiter, während Joggl seiner Freundin die Tuttelen streichelt und auf der Ofenbank entschläft.
5. Jogglgschicht
Den vorbeiziehenden Touristen tischt Joggl manchmal die kuhwarme Milch Milkas auf. Mit lässiger Selbstsicherheit setzt er sich auf den einbeinigen Schemel vor das Euter der Freundin und lässt fachkundig seine Finger über die Zitzen gleiten. In jeder Hand eine Zitze, aus Gewohnheit und Tradition immer zwei sich schräg gegenüberliegende, holt er das nahrhafte Weiße gekonnt aus dem Fleische.
Die Fremden sind immer begeistert, die Einheimischen fühlen sich als solche.
Einmal hat Joggl aus Jux und Langeweile während des Melkens mit einer Hand eine Coca-Cola-Dose, welche ihm ehemals das schwarze Mädchen als Souvenier for you my sweet Dschoggolo hinterlassen hatte, aus dem Hosensack geholt und so gleichzeitig Natur produziert und Fabrik konsumiert. Die Fremden wurden ganz narrisch vor Freude und knipsten und blitzten, dass es nur so über die ganze Alm hinweg fotografierte.
Die Coca-Cola-Dose circa zwanzig Zentimeter vorm Mund haltend, goss sich Joggl den grausligen warmen Inhalt mit einem Zug in den Magen, während er mit der anderen Hand die Zitze Milkas gegen einen der Fotografierer richtete und ihm den warmen Strahl entgegenspritzte. Da lachte das Publikum, und auch Milka freute sich.
Als Joggl aber die leere Dose mit einem kräftigen Wurf weit in den Wald hineinschleuderte, da wurden die Touristen plötzlich sehr böse und beschimpften ihn, sprachen von Umwelt und Sauberkeit, als ob ihre Städte nicht schon bis hier herauf vor lauter Dreck stinken täten.
Joggl verstand das alles nicht und versuchte die alte Heiterkeit wieder herzustellen, indem er seinem treuen Hund, der ihm zu Füßen lag, mit den groben Stallschuhen einen kräftigen Tritt in den Hintern gab, so dass es diesen ein paar Meter durch die Luft wirbelte. Aber da lachte niemand mehr, und drohend zogen die ehemals Lustigen ab.
Als ob eine Dose dem Wald etwas tun würde. Anstatt sich der Schönheit zu erfreuen, die das Funkeln einer solchen Dose beim ersten Tageslicht erzeugen kann, sehen die Stadtler nur den leeren Behälter, von dem sie nur deshalb wissen, dass er leer ist, weil er im Wald liegt. Keiner von ihnen würde zur Freude eine volle Coca-Cola-Dose irgendwo stehen lassen, sie würden sie sofort austrinken und dann in den Müllkübel werfen. Joggl hat seine Dose über ein Jahr im Hosensack mit sich herumgetragen.
Die Dose im Wald überdauerte viele Jahre, eine Zeitlang diente sie einem alten Käfer, später begrub das Moos sie feierlich und für ewig. Keinem Menschen hat sie geschadet, und Joggl dachte sich: "Wenn der Herrgott eine Dose machen lässt, so muss das schon seine Richtigkeit haben, und Coca-Cola dürfte ja auch nichts Schlechtes sein, das saufen doch alle."
Jene Touristen hat Joggl nie mehr gesehen, dafür kamen viele andere, und manches Mal noch spritzte aus den Zitzen der Milka die warme Milch in den blauen Himmel, während Dosen und Flaschen und anderer Abfall in schönster Ruhe langsam auf die Stadt geworfen wurden.
6. Jogglgschicht
Wie Joggl einmal die HL. Jungfrau begehrte und daraufhin zensuriert wurde.
Letzte Jogglgschicht
In einem Buch las Joggl viel Schönes. Dann den Satz: Arbeit macht frei. Da legt er das Buch wieder zur Seite und beginnt zu denken. Was das wohl heißen könnte? Er hatte einmal in der Stadt einen halben Tag in einem Magazin Kartonschachteln vom ersten Stock in den zweiten getragen, weil der Aufzug grad außer Betrieb war. Die Freiheit war ihm dabei nirgends begegnet, nur froh war er, als am nächsten Tag der Aufzug wieder funktionierte.
Vielleicht war das gemeint im Buch. Das war aber nix Besonderes gewesen, das lohnt sich wohl kaum aufgeschrieben zu werden. Joggl war irgendwie bedrückt, so eine Mischung aus Unmut und Traurigsein. Grad war er auf dem Weg, eine entlaufene Kuh zu suchen, und redet laut mit sich selber. "Wenn eins und eins zwei macht, muss viel Arbeit auch viel Freiheit geben. Wenn da jemand den ganzen Tag und die ganze Nacht arbeiten tät, wär er am freiesten. Da geht´s mir aber schlecht. Aber so schlecht geht´s mir ja auch nicht. Ich pfeif, glaub ich, auf die Freiheit", was er auch tatsächlich tat.
Joggl beschließt, einen Leserbrief zu schreiben, weil die Menschen da wohl einem großen Irrtum aufsitzen, den er durchschaut hat. Zwei Tage lang schreibt er, weil gut Ding braucht gut Weil.
"Liebe Mensche", beginnt er, "weil ihr immer auf der Suche nach der Freiheit seid, möcht ich euch etwas schreiben, was euch vielleicht helfen könnte. Ich hab grad eines eurer Bücher gelesen, wo steht, Arbeit macht frei. Da hab ich lange darüber sinniert und bin jetzt sicher, dass das ein Blödsinn ist, und es richtig heißen muss: Arbeit macht müde."
Als einige Tage später dies in der Zeitung zu lesen was, stand drunter: Anm. d. Red.: Die Red. schließt sich der Meinung des Herrn J. nicht an.
Joggl versatnd das nicht, aber das war ihm auch Wurscht, weil er hat ja alles gesagt, was zu sagen war. Er legte sich auf die Wiesn und schaute den Wolkn zu, welche von Osten nach Westen zogen. Da wird´s bald wieder blitzen und donnern, doch der Mond steht gut, und so ist´s eben eingerichtet auf der Welt.
Einige Zeit später, als Joggl grad dabei war, ein bisschen Holz für den Herd zu hacken, kamen zwei misstrauische Herrn in seine Hütte und nahmen ihn mit. Milka folgte den dreien unbeobachtet, in der Stadt aber verirrte sie sich bald, und dann sind ein paar Männer gekommen und wollten sie fangen. Da wurde sie aber sehr böse und nahm einen zwischen die Hörner und haute ihn in eine Auslage. Der Hund, der auch mitgekommen war, bellte dazu. Daraufhin spreizte sie ihre vier Füße, stellte den Schwanz wie eine Antenne auf, krümmte das Rückgrad und sprang wie eine Besessene übern Platz und verschwand in der Ferne.
Joggl saß zwei Tage im Gefängnis. Am dritten kam einer, der sagte, dass er der Verteidiger sei. Dies war jetzt wieder schwierig, weil Krieg ja keiner war, und zum Fußballspielen war´s viel zu eng, aber Joggl traute sich nicht, das zu sagen, und plötzlich wusste er wieder, dass seine Wiesn und Kühe die Freiheit waren, nicht die Arbeit.
Der Fußballspieler versprach ein schönes Spiel und beschrieb mit ernster Miene die Taktik. Angriff ist die beste Verteidigung, dachte sich Joggl und drückte mit beiden Daumen sehr fest an der Kehle des Sportlers. Das gab ein Geschrei im ganzen Haus, und auch Joggl schrie und pfiff voller Freude, da er das Spiel ja gewonnen hatte.
Zur Belohnung kam er in eines dieser weißen Krankenhäuser. Nach zwei Tagen stand Milka im Garten, und einer neben ihm behauptete, er sähe alles weiße Elefanten. Da erklärte ihm Joggl, dass Elefanten keine so großen Zitzen hätten. Zur Probe gingen die beiden zur Kuh hinunter, die sich sehr freute, und der Mensch von den weißen Elefanten wurde von einem warmen Strahl getroffen. Joggl bestieg die Freundin, doch der Pförtner drückte zunächst einen schwarzen Knopf, da ging das Gitter zu, und dann einen roten, wo sofort eine Sirene zu spielen begann.
Milka kam in den Schlachthof. Bevor sie erschossen wurde, hat sie noch einem Schlächter in den Bauch getreten. Der toten Kuh floss aus dem Euter tropfenweise Milch, welche eine streunende Katz gierig trank.
Joggl langweilte sich und dachte wieder an seine Freiheit und wurde traurig. Einmal sagte ihm eine Polizist, dass er für die Kuh zwei Jahre bekommen habe. Joggl bedankte sich dafür.
Daheim wär das Heu zu mähen, und die armen Kühe voller Milch wären zu melken, die jungen Mädels aber sagten, er solle sich da bloß keine Sorgen machen, das sei alles bestens geregelt. Also machte er sich keine Sorgen und spielte mit den Titten der Mädchen, welche kreischten und hüpften, dass es eine Freude war. Nur der Pförtner war gemein. Deshalb schlich sich Joggl in dessen Häuschen und erschlug ihn mit einemmal.
Da wusste Joggl wieder, was Freiheit ist, und stieg zu seinen Kühen und dann noch weiter auf den Berg, und von dort aus flog er ab.
(Aus: gegenstände. 1. Harder Literatur Wettbewerb. fink´s verlag 1985)