noch wissen ein paar leute

dass arbeit auch getan werden muß

nicht nur beschrieben und referiert

 

 

der stein bleibt kein stein mehr. die worte entkleiden ihn seiner dimensionen und walzen ihn platt auf weiße seiten.

dies machte das abenteuer aus, bevor die bürokraten beschlossen, auch diesem vergnügen kontrollierbare grenzen zu bescheren und solch simplen ereignissen akademische würden verliehen. der elfenbeinturm wär nicht so schlimm, wäre er denn wirklich aus elfenbein. es sind betonklötze geworden, mehrstöckig. nur der träumer kann sich darin noch verirren, der phantasielose bewegt sich flink in dieser beliebigkeit.

warum hat niemand hitlers mein kampf auf seiner seminarliste. weil wir in einer freien welt leben. bei der verabschiedung aus dem betonklotz standen verwichste kahlköpfe mit schrammen spalier und sangen unanständige lieder. dies sei dir auf den weg gegeben, als hoffnung, als warnung.

so steht man allein in der welt, mit einem stück papier in der hand, das dir bestätigt, lesen und schreiben zu können. recht auf arbeit steht auf einem anderen blatt, aber du hast bereits vergessen auf welchem.

abhauen wird mit ahhhs und ohhhs aufgenommen. abhauen ist: ein problem weniger. wieder jemand versorgt, wieder für alle die pflicht erfüllt.

die texte haben freiheit versprochen, die buchstaben gaukelten die schönsten bilder vor. das denken und schreiben über die texte versprach noch mehr, den durchblick, das sehen hinter die kulissen, staubsaugen unter dem teppich, am ende gibt es expertentreffs. für tiefblicke, scharfblicke, abfall, kulissenschieber, fensterputzmittel. alle mit computer bewaffnet, einige mit zentnern von wissen, das beliebig aneinander gereiht werden kann, andere kaufen sich eine dicke haut und überleben von augenblick zu augenblick. rangordnungen werden aus alten zeiten übernommen.

schreib und erzähl mir das leben. von den ersten versuchen auf indianerpfaden grauenvoll abgestürzt in die erkenntnis, dass nichts, aber schon gar nichts aus deinem schädel kommt, so wie du dirs vorgestellt hast, so wie es geschrieben sein sollte. das braucht ein paar jahre im schmollwinkel, in einer ecke an der hauptstraße, wo alle auch sehen, dass du dich verweigerst, weil du zu gut bist, für diese welt. und dann zerfällt auch dieses glaushaus, weil du merkst, dass diese wände nicht aus glas sind, sondern aus dickem zement, und kein schwein dein schmollen sehen kann, geschweige denn, sich dafür interessiert.

wozu aber hat man studiert. also schnell die sättel gewechselt und wieder auf dem abc-gaul die äcker des unterrichtens pflügen. brotarbeit. als ob das eine beleidigung wäre. und wieder hinein in die mühle. achterbahn fahren in den rangordnungen, arroganz hilft oft über steile abhänge hinweg. aber nicht immer. manchmal hältst du dich nur mit der kraft der scham an vertrockneten strohhalmen fest, zur belustigung des übrigen kegelvereins. manchmal schaust du auch zu, wie ein anderer die notbremse erst im allerletzten augenblick zu ziehen fähig ist, und amüsierst dich dabei köstlich. das sichert den untergrund. er wird fester und geschlossener. du bist wer. mit konto.

zwischen lernen, leeren und lehren muss es eine verbindung geben. es kann dies keine zufällige ironie der phonetik sein. und wieder beginnen die worte zu tanzen und spinnen, lösen sich auf und setzen sich zusammen. die einen glauben an vorsehung, die anderen an sich selbst.

nachgelieferte poetiken versuchen künftige ereignisse vorherzusagen. quadratische und halbrunde kreise zuhauf, zu nichts zu gebrauchen, für niemandem verständlich, auch für mathematiker nicht, wir jedoch strahlen zuversicht aus. unsere guter wille gepaart mit der nötigen substanz wird die welt wachrütteln, dem wort wird wieder die ehre zuteil werden, die uns versagt blieb. die schüler aber schweigen und grinsen hämisch. das wetter ist schön, der text vor ihnen steht damit in keinem zusammenhang.

neue heilsverkünder tauchen auf. sie sind natürlich um einiges schlechter, als jene, an die du ein paar jahrzehnte geglaubt hast. sie schreien nur altbekanntes, du sagst deinem sohn, dass er kein haschisch rauchen dürfe, oder dass er haschisch rauchen solle. der sohn stößt sich an den modalverben und spricht dann in einer sprache weiter, die du nicht verstehst. weshalb du ihm sein taschengeld kürzt.

im fernen osten lesen alle hitlers mein kampf. ein ekliges buch. ein gutes buch, sagt einer. was sollt ich ihm entgegnen, ich habs nicht gelesen. mein sohn hat es gelesen. heimlich. aus angst vor mir. nicht aus angst vielleicht, aber aus unlust, mit mir darüber zu sprechen.

was man über die worte gelernt hat. zuerst haben wir gelernt, dass wir dumm sind und man hat uns wieder in schönschreibkurse gesperrt. bis wir gemerkt haben, dass der lehrer so dumm ist wie wir, nur etwas älter und mit zensurmacht ausgesstattet. da haben wir uns dann mit freude an den schönschreibkursen beteiligt und den lehrern in wundersamen worten wissen lassen, dass sie nicht viel mehr wissen als wir. zu dieser zeit gab es aber hinter uns schon jüngere studenten, die das alles noch nicht wussten. und an denen haben wir trainiert. mittelbau heißt diese stufe des bewußtseins. hypertexte hinter den texten wurden geschaffen. endlose spieltriebe gefördert und versehentlich mit dem prädikat niveau versehen. das u hätte es nicht gebraucht.

an der vorderen front, dort wo noch nichts anderes ist, als dass die buchstaben mit den augen kämpfen und dann vielleicht mit der phantasie, welche die zeichen erst wieder in eine ordnung bringen muss, an jenem schlachtfeld tummeln sich nur noch ein paar desperados herum und einige leichen, die niemand mehr lust hat abzuschießen. doch je weiter man nach hinten in die truppen dringt, je heftiger wird gekämpft, je grausamer und härter die mittel, je schonungsloser der einsatz von material und zeit. ganze heere stehen auf abruf bereit, warten auf den einsatz. ein filigranes netz von verneigungen und händekontakten hält das gleichgewicht, verhindert die katastrophe. die waffen sind die allermodernsten.

wissenschaft heißt das. dabei ist der satz unvollständig. wissen schafft was? die mythen sind ohne wissen ausgekommen. sie haben einfach geschaffen. ganze welten.

eine expertenkommission hat zehn teuere und lange jahre gebraucht, um zu dem ergebnis zu gelangen, dass die eigenen vorschläge zur verbesserung saublöd sind. wir dürfen den heiligen vater jetzt wieder groß schreiben. wie sichs gehört.

wir haben gelernt, dass nach dem a ein b zu folgen habe, und wenn keines aufzufinden war, es sich womöglich um kunst oder verführung handle. wir sezieren die bücher und worte, zerlegen die schönsten gebilde und bringen sie nachher kaum wieder zusammen. wir knechten damit alles und jeden, der uns unter die finger kommt. daheim aber, im gemütlichen mief der kleinfamilie, frönen wir wasseradern und pendelschwingungen nach, unterziehen uns genüsslich und voll ungestillter sehnsucht sündteuren okkultismen. fleisch zu brot und blut zu wein. habe die ehre, neues jahrtausend.

gleich um die haustür wird jahrelang gemetzelt, so schlimm wie früher ist das aber nicht. oder noch viel schlimmer. je nach einstellung. darüber ist zu reden und sich zu ereifern, bis dass sich die tischkanten biegen, ein kerzlein für den frieden und einen schilling für den nachbarn in not sind schöne zeichen. schließlich haben wir studiert und es zu etwas gebracht. wir haben keinen krieg begonnen, wir sind eine friedliche generation.

die buchstaben verlieren sich im hypertext. er saß stundenlang über seine bücher vertieft. wie romantisch. wir surfen im internet. geistessportler. aufsätze lassen sich schnell fabrizieren. diese produkte ohne sinnesgehalt, angefertigt und gedacht für publikationslisten und subventionierte bücher, die in keiner buchhandlung mehr zu finden sind. man liest nicht, man schreibt. frau idem.

einmal hat es geheißen, dass die frauen eine bessere welt zu bauen verstünden. heute sitzen sie in den parlamenten, spielen freiwillig soldaten, wollen die priesterweihen usw. die worte haben mich betrogen. ich hätte ihnen nicht glauben sollen. die frauen sind um nichts schlechter als die männer. die asketen biedere illusionisten mit tricks aus papas zauberkiste. bleibt die hoffnung auf heterosexuelle. über die geschlechter hinweg, durch sie hinaus in den leeren raum, dorthin, wo auch keine buchstaben mehr zu missbrauchen sind.

 

die paar gelehrten winseln um das wenige geld, das ihnen fette und schwitzende bürokraten vor die füße werfen, und zermetzeln sich gegenseitig, für jeden ausgeschriebenen bleistift. kriechen bis hin zur selbstaufgabe vor jeder münze und beten alle dieselbe litanei: herr, lass mich dir dienen. kein fußtritt kann verletzend genug sein, keine beleidigung zu groß. auf die interessen der wirtschaft rücksicht nehmen. ausbildung für den markt. in den nebenräumen der macht werden inzwischen orgien gefeiert, menschen erdrosselt, enthauptet, abgeschoben.

 

 

aus: 

          

Sprich, lies und schreib.

Erzählungen, Reflexionen, Gedichte ehemaliger Studierender des Instituts für Germanistik Innsbruck. Notburga Wolf zum 60. Geburtstag.           

Zusammengestellt von Monika und Michael Klein.           

1996. Germanistische Reihe Sonderband