fremdenverkehrt

 

blickt die landschaft ins gebirge. schauderhaft liegen die massen im feurigen rot und tiefschwarz der klare wintertag. ein rabe putzt sich das weiße gefieder, dahinter das tonband spielt samba pa ti.

käme ein gast in das land, zufällig hierher geworfen, er würde wohl schnellstens nach hause. wenn nicht das andere wäre, das wichtigere, das nagende und verlangende, die unfähigkeit sich zu entziehen. er würde heimgehen und sich erholen. doch es gelingt nicht. ihr übrigens auch nicht. auch sie hat ähnlich gelagerte ängste, dieses nicht aussprechbare, das andere des anderen, jenseits des kopfes und doch nahe dem herzen, dem unterleib.

friüher stellte man sich noch die frage wieso. weshalb ist es möglich, daß nicht erklärbares und abscheuliches sich zu solch zwingender macht verbinden. abfallen, ja abfallen wäre schön. nicht mehr daran denken,  die nähe zum leben vergessen und abfallen in träume, ohne bewegung. gehen um wieder zu kommen, das endziel hier, an diesem punkt.

doch war nichts, es konnte nicht sein. jahrelang sträubten sich viele und sahen nur bitterste not am ende des weges und sahen nur fremdenverkehrte spiegel vor sich. wenn mich zumindest jemand lieben könnte. die landschaft aber hasst und ist ausgestattet mit größtem zorn und nützt die gelegenheit ohne erbarmen und peinigt und quält und fesselt uns lebenslang, ohne nachsicht. wenn sie mich lieben würde. ich legte mich in ihre feuchten schatten und ließe mich von ihren schluchten nehmen und auch von den hügeln. doch daran ist eine ganze generation verloren gegangen, heulend und bebend.

auf der suche nach neuem nur altes gefunden und unverständliches. in der einsamkeit statt der erhofften ruhe die langeweile tat ein übriges. so wurde allmählich der kampf völlig leer. so spielten die windmühlen klavier, unüberwindbare mauern wurden von stürmenden kämpfern gefestigt. ein kreuzzug gegen das eigene fleisch. sein ende war erst der anfang und eiskalte dampfbäder die folge.

so kam er mit ihr hierher, und die anderen mit. weil die einsamkeit nicht auszuhalten ist, auch jene einsamkeit der liebe nicht, die händchenhaltend die welt zu bezwingen glaubt. deshalb alle mit. alle, ohne ausnahme, bei krankheit nicht, nicht bei gebrechlichkeit oder alter. nein, diese qual in den bergen ist nur auszuhalten, wenn alles mitgenommen wird, was zur verteidigung hilft, zum leben. grausam stehen hinter bizarren felsen sie, leuchtend versteckt und schlagen den gästen wohlwollend freundlich mit bärtiger hand die schultern in stücke. schwärme von automobilen fliegen auf und hupen bedrohlich zurück.

die landschaft. was mag es sein, das uns mit ihr verstrickt. fäden müssen bestehen. alljährlich überall wird gezogen, geschoben, wir müssen, wir sollen, wir dürfen. immer hierher. gottlob sind wir viele. das land ist gefährlich und regelmäßig braucht es ein opfer. blut klebt an den felsen, unser blut, und boshaft reiben die eingeborenen sich ihre hände, schweigend, unergründlich grinsend und räumen die reste der opfer genussvoll penibel in laken aus plastik.

sie verstehen alles. sie sprechen auch unsere sprache, doch sie sprechen sie anders. chamäleone, anpassungsbiedere wilde. ihre gefährlichkeit ist nicht zu verstehen. sie wissen nichts davon. die einfalt der unbeholfenen ist die macht jenseits der vernunft, die unzweifelbar der welt auch ihr gegenteil zeigt.

als gast hier. nur wenige tage, es reicht, es geht nie vorbei. alkohol, alkohol, alkohol, nur so ists erträglich. nur so kann ich zusehen wie einer der wilden über sie fällt, kräftig, prächtig, ein schauspiel. auch nächstes  jahr wieder dasselbe. Manchmal stehen wir nicht auf, bleiben tagelang liegen und trinken ohne unterlass bis zum vollen tag und erbrechen uns überall. keiner ermahnt uns, keiner bestraft uns, doch wird sie auch nächstes jahr wiederum müssen, vielleicht sinds dann drei oder vier hintereinander. wie tiere, wie bullige böcke,  schonungslos, kopflos und ohne herz, nur muskeln und unterleib.

allein wäre ich hier verloren. die schatten der täler und völkische lieder beschweren die luft. sich atmen müsste man können, frei durch den körper ohne gefahr. die eingeborenen hinter den bäumen grinsen und schlagen mir mit den äxten den weg hin zum abgrund frei. sie helfen und helfen nach. sie kennen die rätsel, sie haben die schlüssel und ihre kraft ist um einiges stärker als schläue und list.

weshalb gerade wir. was ist unser schicksal, dass wir genau uns dort hingezogen fühlen, wo der nebel am klarsten ist und der sonnenstrahl kalt. wir kennen das land, doch für jeden gang aufs klo brauchen wir einen führer. wir kennen die menschen, wir lieben sie über den tag, doch nächte, warum solche nächte, wenn fratzen die wände hochsteigen, und tiere ausbrechen zu den almen hinauf, die weiber, die unseren, am rücken.

hier will ich sterben, besser sich abfinden damit, dass kein entrinnen mehr möglich ist. besser gleich hier bleiben, um schmerzen zu lindern. zu hause die angst, dies alles immer wieder leben zu müssen,  jährlich dasselbe, ohne ausnahme keine fluchtmöglichkeit. die freiheit ist keine mehr, wenn sie nicht ständig ist.

hier werd ich bleiben, gegen die landschaft, die felsen mit beton überschütten, dressieren den wilden haufen. abrichten zur arbeit, das werd ich tun. wir alle bleiben hier. alle übers ganze jahr, dann sind sie machtlos, dann haben sie angst und kriechen und werden uns achten. abtragen die berge. ohne berge sind sie zahm wies dümmste federvieh. applanieren. alles. einebnen die unebenheiten, ein stück fels wird genügen für alle. wird die sehnsucht ständig erneuern, ewig sollen sie leiden.

hier werd ich bleiben. hier soll mein grab sein, mein land. das meer will ich sehen von der terrasse aus. dies ist der weg. hier sterben, den weißen raben ausgestopft neben den träumen liegen sehen, dahinter das tonband spielt samba pa ti.