Politics der Textualität in multilingualen Sprachsituationen. Analyse der Textualität in interkulturellen Berührungen.

 

Südtirol - Alto Adige. Sprachen, Texte und Räume

Ein Abriß zu gelebter "Interkulturalität" 

 

 

Da dieser Artikel auf Japanisch erscheint, kann ich von Beginn an ein Problem vermeiden, welches sich, würde man auf Deutsch oder Italienisch schreiben, sofort stellt: Wie soll ich den geographischen Ort, um den es im Folgenden geht, adäquat benennen? „Südtirol“ ignoriert die italienischsprachige Minderheit im Land, „Alto Adige“ die deutschsprachige Mehrheit, beide Bezeichnungen haben keinen Bezug zur dritten, zwar kleinsten aber ältesten Sprachgruppe im Land, zu den Ladinern. Die japanische Bezeichnung „minami tiroru“ ermöglicht es zunächst, von solchen scheinbar sekundären und kleinlichen Unterscheidungen abzusehen. Ebenso hoffe ich, daß ein Großteil der Voreingenommenheiten, unbewußten Nähen und Distanzen, sprachlich diskriminierender Formulierungen und anderer Faktoren des Unterbewußtseins beim Schreiben über die eigene und eine fremde Sprache durch die Übersetzung gedämpft oder unwichtig werden.

 

Südtirol im 20. Jahrhundert

1919 Österreich verliert nach dem 1. Weltkrieg bei den Friedensverträgen von St. Germain Südtirol an Italien

1939 Vereinbarung zwischen Mussolini und Hitler:

Alle deutschsprachigen Einwohner mit italienischer Staatsbürgerschaft („Volksdeutsche“) müssen sich bis 31.12.1939 für den Verbleib in Italien oder für die Auswanderung („Heimkehr ins Reich“) entscheiden. Alle in Südtirol wohnhaften Reichsdeutschen werden zwangsweise umgesiedelt. 80% der Deutschen entscheiden sich für die Auswanderung. Tatsächlich wandern dann bis 1942 ca. 70.000 aus.

1945 Nach Kriegsende verlangt Österreich Südtirol zurück.

1946 Die vier Siegermächte lehnen im Friedensvertrag von Paris diese Forderung ab.

1947 Die Provinz Bozen wird mit der Provinz Trento (zu über 90% italienischsprachig) zur Region Trentino-Alto Adige zusammengeschlossen.

1948 Trentino-Alto Adige erhält einen Autonomiestatus. Die Italiener stellen in der Region die absolut stärkste Gruppe. Der Unterricht in der Muttersprache wird garantiert. Amtssprache bleibt Italienisch.

1960 Österreich, seit den Pariser Verträgen 1946 offiziell Schutzmacht für Südtirol, bringt das Südtirolproblem vor die UNO-Hauptversammlung, da Italien sich weiterhin weigert, der deutschsprachigen Bevölkerung gleiche Rechte zu gewähren. In dieser Zeit beginnt auch der Bombenterror in Südtirol.

1972 Die Provinz Bozen erhält verfassungsrechtlich eine eigene Autonomie (Deutsch/Ladinisch wird als Amtssprache anerkannt; Einführung einer „Doppel-/Dreisprachigkeitsprüfung“ für alle, die eine öffentliche Stelle haben; Verteilung öffentlicher Stellen und sozialer Fürsorge im proportionalen Verhältnis zu den drei Bevölkerungsgruppen; gleiches Mitbestimmungsrecht bei Landesregierung und -verwaltung). Österreich ist Garant für die Durchführung dieser Bestimmungen und bleibt Schutzmacht bis zur endgültigen Durchführung aller vorgesehenen Regelungen.

1992 Italien und Österreich übergeben an die UNO die Streitbeilegungserklärung

1993 Sämtliche 137 Durchführungsbestimmungen werden wirksam (z.B. die Gleichstellung der deutschen Sprache vor Gericht).

 

Sprachgruppen

Südtirol hat z.Z. 280.000 Deutsche, 120.000 Italiener und 18.000 Ladiner[i]. (Die Begriffe „Deutsche“, „Italiener“ und „Ladiner“ bezeichnen hier ausschließlich die Zugehörigkeit zur einer Sprachgemeinschaft. Sie sind als historische oder gesellschaftspolitische Begriffe auf die Situation in Südtirol nicht anwendbar). Um die Jahrhundertwende, also vor fast genau 100 Jahren, sah dieses Zahlenverhältnis folgendermaßen aus: 190.000 Deutsche, 17.000 Italiener und 9.000 Ladiner.[ii]

 

Die Ladiner

Es ist dies zwar die zahlenmäßig kleinste aber am längsten in Südtirol ansässige Gruppe. Südlich von und dicht an dem Alpenhauptkamm lebte noch bis ins 5. Jh. nach Chr. eine von der heutigen Ostschweiz bis ins italienische Friuli-Venezia-Giulia reichende Gruppe, die Räter, Räto-Romanen oder Ladiner[iii]. Davon sind heute nur mehr sehr kleine, voneinander meist völlig getrennte und in sich abgeschlossene Sprachinseln übrig geblieben, eine davon in Südtirol. Die Ladiner Südtirols leben heute ausschließlich nur noch im oberen Gröden- und im oberen Gadertal, die beide direkt vom Gebirgsblock der Dolomiten nach Westen bzw. Norden führen (die von den Dolomiten nach Südosten bzw. nach Süden führenden beiden Täler Livinalongo und Val di Fassa liegen auf dem Gebiet der italienischsprachigen Provinz Trento). Das Gröden- und das Gadertal haben nach dem 2. Weltkrieg durch den Tourismus (Skifahren und Klettern/Wandern) einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. In beiden Gebieten stellen die Ladiner die Bevölkerungsmehrheit dar. Ladinisch als geschriebene Sprache ist eigentlich eine Kunstsprache. Die Unterschiede zwischen dem Ladinischen des Grödnertales und jenem des Gadertales sind erheblich und finden auch in der, neuerdings wieder verstärkten Tendenz, die eigene Sprache auch als Schriftsprache zu akzeptieren, in einer manchmal doch recht deutlich voneinander abweichenden Verschriftlichung ihren Ausdruck. Sprachhistorisch gesehen ist das Ladinische dem Französischen und Spanischen näher als dem Italienischen.

In diesen Gebieten herrscht offiziell Dreisprachigkeit, wobei Ladinisch als Erst-, Deutsch und Italienisch als Zweit- bzw. Drittsprache bezeichnet werden. Der Unterricht in der Grundschule erfolgt zunächst nur auf Ladinisch, bald aber werden sowohl Deutsch als auch Italienisch eingeführt, so daß in den obersten Klassen jedes Lernfach in allen drei Sprachen unterrichtet werden kann. Um diese etwas komplexe Situation zu verdeutlichen, möchte ich etwas länger aus einem Bericht eines österreichischen Universitätsprofessors zitieren, der in einer Grundschule im Gadertal den Unterricht hospitierte:

„Die Lehrerin kommt uns entgegen. (...) Heute mache sie mit den Kindern den Igel, il riccio durch, und zwar auf italienisch. Morgen werde sie auf deutsch über den Igel weiterarbeiten. Vielleicht jedoch, verspricht sie, würde sie uns zuliebe aber heute nur eine halbe Stunde Italienisch, dann jedoch Deutsch unterrichten, damit wir sehen könnten, wie sich die Kinder in beiden Sprachen zurechtfänden. Wir sind allerdings auch auf das Ladinische neugierig. Sie will es einbauen. Wir sollten alles kennenlernen.

Wir betreten die Klasse, einen großen hellen Raum mit zwei Bankreihen, in denen zehn Kinder sitzen - achtjährige Bauernkinder mit Sommersprossen im Gesicht, Zöpfen (...) Sie stehen auf, als wir eintreten, und sagen „bun de“. Wir antworten mit „bun de“. Die Lehrerin stellt sich frontal vor die Bankreihen und fixiert ihre Schüler. Sie spricht langsam und leise: „Cosa fa il riccio quando c´è l´inverno?“ Die Kinder denken nach, dann zeigen einige auf und antworten ebenso langsam und leise, aber klar und deutlich und fehlerfrei, was der Igel im Winter macht. (...) Ganz selten überprüft sie auf ladinisch, ob tatsächlich alle alles verstehen, was in der Klasse gesprochen wird. (...)

Später schreiben sie. (...) Sie schreiben aus dem Gedächtnis, was sie über den Igel wissen. Gestochen sauber, ohne Fehler.

Dann wechselt die Lehrerin die Sprache. Jetzt ist Deutsch dran. Alles geht genauso weiter wie bisher. (...) Und wieder Ladinisch dazwischen. Dann Schreiben."[iv]

Diese Form eines dreisprachigen Unterrichts ist allerdings nur in der Pflichtschule möglich. Es gibt in keinem der beiden Täler eine Oberschule. Die ladinischen Jugendlichen müssen daher in einer der nächstgrößeren Städte Bruneck, Brixen oder Bozen weiterführende Schulen besuchen. Und dort gibt es keinen Unterricht auf ladinisch, nicht einmal einen Sprachkurs für Ladinisch. Die Ladiner werden, sobald sie ihr Tal verlassen, in dem sie die Mehrheit bilden und auch gesetzlich abgesicherte Minderheitenrechte genießen, aus einer ethnischen Perspektive betrachtet sofort zu einer rechtlosen Minderheit. Sie müssen überall in Südtirol außerhalb ihrer Heimattäler Deutsch oder Italienisch verwenden. Minderheitenschutz ist, wie dieses Beispiel gut zeigt, primär nicht ein Schutz der Person, sondern ein Schutz eines geographischen Ortes, ein Faktum, das zu Unrecht sehr oft unerwähnt bleibt.

Daß die Ladiner im Laufe der Geschichte ihre Sympathien gegenüber den beiden anderen Sprachgruppen wechselten, je nachdem wer gerade weniger grausam in den Unterdrückungsmechanismen war, mag einleuchtend sein, kann aber hier nicht näher erörtert werden. Es genügt darauf hinzuweisen, daß mit Ende des Ersten Weltkriegs, als Südtirol von den Siegermächten Italien zugesprochen wurde, die Ladiner sich die meiste Zeit politisch sehr eng an die deutsche Sprachgruppe angeschlossen haben, um gemeinsam gegenüber der römischen Zentralregierung die eigenen Interessen zu vertreten.

 

Die Italiener

Während der Habsburger Monarchie bildeten die Italiener in Südtirol eine relativ kleine Minderheit, die sich hauptsächlich in den wenigen größeren Ortschaften als Tagelöhner oder als Wanderhändler verdient machten. Der größte Teil dieser Gruppe stammte aus dem benachbarten Trentino. Mit Mussolinis Machtübernahme setzte eine massive Besiedelungspolitik ein, die mit einigen Unterbrechungen bis in die 60er Jahre hinein anhielt, in deren Verlauf schätzungsweise an die 100.000 Italiener in Südtirol angesiedelt wurden[v] Da es Mussolinis Ziel war, mit Einverständnis von Hitler, Südtirol völlig zu italianisieren, wurden diese aus ganz Italien zugewanderten Italiener vor allem als Beamte in der Verwaltung und als Arbeiter in der neu errichteten Industriezone von Bozen beschäftigt. Der Versuch, auch die Agrarstruktur durch Enteignung oder Ausweisung der deutschsprachigen Bauern mit Italienern zu besetzen mußte fehlschlagen, da die zugewanderten italienischen Bauern nicht mit den Anforderungen der alpinen Landwirtschaft vertraut waren. Die Italianisierung beschränkte sich in ihrer Praxis dann auch ausschließlich auf das Gebiet um Bozen.

Da diese zugewanderten Italiener aber über keine andere gemeinsame Kommunikationssprache verfügten, als dem Standarditalienisch, ist Südtirol bemerkenswerterweise der im italienischen Staatsgebiet einzige Raum, in dem kein italienischer Dialekt anzutreffen ist (mit Ausnahme jenes aus dem Trentino, der von den bereits früher ansässigen Italienern gesprochen wird). Diese Phänomen hat auch weitreichende psycholinguistische und psychosoziale Folgen, von denen später kurz berichtet wird.

Nach dem relativ kurzen, aber doch nachhaltig wirkenden faschistischen Zwischenspiel, dessen negative Auswirkungen z.T. noch bis heute bestehen bleiben, sehen sich die Italiener in Südtirol heute einer äußerst komplizierten und komplexen Realität gegenübergestellt: als Minderheit in einer deutschsprachigen Mehrheit, als Gruppe ohne gemeinsame historische Vergangenheit oder Tradition, als Vertreter von Angestellten und Bürokraten, denen der Weg zu den derzeit lukrativen Erwerbsquellen des Landes, Tourismus und Landwirtschaft (Obst und Wein) wegen mangelndem Grundbesitz versperrt bleibt. Dies hat zu einem erneuten Anstieg neofaschistischer Tendenzen geführt. Derzeit ist die Fraktion von AL (Alleanza nazionale, der neofaschistischen Partei Italiens) die stärkste im Gemeinderat von Bozen, allerdings wegen mangelnder Koalitionsbereitschaft der anderen Parteien, auf die Oppositionsbank verdrängt.

Die Bereitschaft der Italiener, Deutsch als erste Fremdsprache zu erlernen, hat seit dem Inkrafttreten weitgehender Autonomiebestimmungen in Südtirol deutlich zugenommen. Eines der größten Hindernisse dabei stellt die Beziehung zwischen Standartsprache und Dialekt dar. Während sich die Deutschen mühelos mit dem in der Schule erlernten italienischen Idiom im Alltag verständigen können, ist die deutsche Standartsprache, die an den italienischen Schulen gelehrt wird, im täglichen Leben kaum anwendbar, da der Dialekt bzw. die verschiedenen deutschen Dialekte (oberbairische Varianten) vor allem in Phonetik und Lexik sich ganz erheblich vom Standart unterscheiden. Vereinfachend kann gesagt werden: die Italiener lernen in der Schule eine zweite Sprache, die sie im Alltag nur ungenügend anwenden können. Sie lernen, ähnlich wie in ihrer Muttersprache, ein weitgehend beziehungsloses Sprachsystem, dem viele Faktoren wie Tradition, Entwicklung, lokale Varianten usw. einfach fehlen.

 

Die Deutschen

Zahlenmäßig, nach wirtschaftlicher Stärke und als einheitliche Minderheit stellen die Deutschen die größte und stärkste Gruppe in Südtirol dar. Mit Ausnahme der Zeit zwischen dem ersten Weltkrieg bis Ende der 60er Jahre hat diese Priorität der Deutschen eine lange Tradition. Allerdings, wie wir noch sehen werden, keine „ewig“ zurückreichende. Während der Herrschaft des italienischen Faschismus wurden die deutschen Schulen in Südtirol verboten.

Aus dem diesbezüglichen Gesetzestext:

„Mit Beginn des Schuljahres 1923/24 wird in allen ersten Klassen der fremdsprachigen (= deutschsprachigen) Volksschulen der Unterricht in der italienischen Sprache erteilt. (...) Mit der Ersetzung der gegenwärtigen Unterrichtssprache durch die italienische wird gleichzeitig und analog für ihren Unterricht in Anhangstunden vorgesorgt.“[vi]

Es formierte sich dagegen so etwas wie eine pädagogisch-didaktische Untergrundbewegung, die sogenannten Katakombenschulen. Oft auch getarnt als Ferienlager für die Kinder wurden dort Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermittelt. Die italienischen Behörden gingen gegen die Veranstalter dieser Kurse z.T. sehr kompromißlos vor, „Organisatoren der Schulen wurden zu langen Confino-strafen verurteilt: (...) zum Beispiel der (...) Rechtsanwalt Josef Noldin, der an den Folgen der Haft in Lipari starb, und der Lehrer Rudolf Riedel (...), der gleichfalls für fünf Jahre ins Confino geschickt wurde“.[vii]

So wuchs eine ganze Generation mit nur wenigen oder nicht ausreichenden, vor allem schriftlichen, Kenntnissen der deutschen Sprache auf. Was aber nicht gelang, war die von Mussolini angestrebte Italianisierung der in Südtirol lebenden Deutschen. Der leichtfertige Fortschrittsglaube, dem sich die faschistischen Machthaber verschrieben haben, demzufolge eine Assimilierung in kürzester Zeit ihre Früchte hätte zeigen müssen, scheiterte am eigenen Mangel an Sensibilität für Psycho- und Sozialstrukturen von ethnischen Minderheiten. Die Wunden hingegen, die Erniedrigungen und Narben dieser Zeit, prägen z.T. noch bis heute das Verhältnis der Deutschen zu den Italienern.

Für die nach dem Zweiten Weltkrieg geborene Generation hat sich die Situation dank politischer und wirtschaftlicher Veränderungen hin zu einer emporstrebenden und ökonomisch wohlhabenden Region weitgehend entschärft. Das Schulwesen entspricht dem Standart in Österreich bzw. Deutschland, die Aneignung der Zweitsprache Italienisch wird primär als Vorteil empfunden: man kann sich in zwei benachbarten, aber doch sehr unterschiedlichen Sprach- bzw. Kultursystemen relativ mühelos hin und her bewegen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß damit das Zusammenleben der Sprachgruppen sich im Wesentlichen verändert hätte: Die Grenzen sind klar und spürbar, die gegenseitigen stereotypen Feindbilder und Vorurteile mehr oder weniger unverändert. Die Chancen der Deutschen in Südtirol, aus dem historischen und politischen schwer tragbaren Unrecht als Assimilierungsobjekt benutzt worden zu sein, einen im Kontext europäischer Annäherungsprozesse zukunftweisenden Vorteil zu konstruieren, der die eigene Sprachkompetenz des Italienischen betont und eine, noch utopische „Multikulturalität“ vorzuleben versucht, sind bisher nicht wahrgenommen worden.

„Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus, religiöser Fanatismus u. dgl. gehören zu den explosivsten Sprengkräften, die das gesellschaftliche Leben bedrohen. (...) Deshalb ist es so ungeheuer wichtig, daß ethnischer Konfliktstoff rechtzeitig erkannt und entschärft wird. (...) `Verräter der ethnischen Geschlossenheit´ gehören zu den wichtigsten Abwehrkräften und bewahren kritische Distanz auch zur eigenen Gruppe - nur dürfen sie sich niemals in `ethnische Überläufer´ ins andere Lager verwandeln, sonst verlieren sie ihre Wurzeln und werden sofort völlig unglaubwürdig.“[viii]

 

Vermischte Beziehungen und Entmischungsbürokratie

Derzeit gibt es etwa 8% von Familien, denen ein Teil der deutschen/ladinischen, der andere Teil der italienischen/ladinischen Sprachgruppe angehört. Die Kinder aus solchen Familien müssen sich mit Erreichen der Volljährigkeit zu einer der drei Sprachgruppen bekennen. So werden per Gesetz aus zweisprachigen Menschen wieder ethnisch klar einsprachige.

 

Die Geschichte Südtirols im 20. Jahrhundert

Bis 1919, also bis zum Zerfall der Habsburger Monarchie, verstand man unter der Bezeichnung „Südtirol“ jenes Gebiet, das heute Provincia di Trento genannt wurde. Anstelle von „Südtirol“ wurde oft auch „Welschtirol“ gebraucht. In einem historischen Sinne sind also auch die italienischsprachigen Bewohner der heutigen Provinz Trient als Tiroler zu bezeichnen. Tatsächlich jedoch gibt es heute, abgesehen von ein paar eher komisch wirkenden Ausnahmefällen (wie z.B. einigen in den letzten Jahren wieder gegründeten Schützenkompanien[ix] im Trentino) keine besonders engen Beziehungen zu dem heutigen Südtirol. Die Trentiner sind ja, im Gegensatz zu den eher als noch “traditionslosen“ Italienern in der Provinz Bozen, eine Gemeinschaft mit eigenem, sehr stark ausgeprägten Dialekt, einer langer historischen gemeinsamen Erfahrung und kulturellem Selbstbewußtsein. Revanchistische Tendenzen flackern zwar im Trentino immer wieder auf, insgesamt aber wirkt doch Cesare Battisti[x], der 1916 von den Österreichern wegen Hochverrats in Trient hingerichtet wurde, viel nachhaltiger. Er gilt als Symbol für Widerstand gegen und Befreier von den österreichischen Unterdrückern, die ,entgegen der heute noch oft verbreiteten Meinung, daß sie ihre Minderheiten weitgehende Selbstverwaltung zugestanden hätten, auf fast allen Gebieten der Donaumonarchie die anderen Kulturen nur dann achteten, wenn die Vertreter derselben sich zu absoluter Unterwürfigkeit gegenüber Wien bereit erklärten. Erst 1919 bekommt Südtirol jene geographische Form, die es auch heute noch hat.

 

Die Option

Nach der Machtergreifung Mussolinis und dessen Italianisierungspolitik war vor allem ein Ereignis für die weitere Entwicklung des Landes. In der „Berliner Vereinbarung“ zwischen Hitler und Mussolini wurde festgelegt, daß alle in Südtirol lebenden Menschen „Italiener“ wurden, daß also weder der deutschen noch der ladinischen Bevölkerung irgendwelche Rechte zugesprochen wurden, daß aber andrerseits jeder die Möglichkeit hatte, ins Deutsch Reich Hitlers auszuwandern und dort eine neue Existenz zu beginnen. Hitler garantierte jenen, die dazu bereit waren, genügend finanzielle Unterstützung und auch Landbesitz zukommen zu lassen. Von zwei nationalistischen Systemen vor solch eine Alternative gestellt, wählten viele Südtiroler (ca. 80%) das in ihren Augen geringere Übel und verzichteten auf ihre Heimat, um nicht auf ihre Identität verzichten zu müssen. Dieser Entscheidungsprozeß hinterließ tiefe Spuren, die z.T. noch bis heute zu verfolgen sind. Jene 20%, die sich für ein Bleiben in Südtirol entschieden und also in Kauf nahmen, vollständig italianisiert zu werden, wurden als Verräter bezeichnet. Da es sich dabei meistens um Bauern handelte, die vor allem ihren Grundbesitz nicht aufgeben wollten (die italienischen Faschisten bezahlten dafür nur einen sehr geringen Preis als Ablöse), wurden sie auch der Habgier und des Materialismus bezichtigt. Daß von den 80% schließlich wegen organisatorischer Schwierigkeiten und dann wegen der Kriegswirren nur weit weniger als die Hälfte tatsächlich das Land verlassen haben, kann im Nachhinein betrachtet als historisches Glück bezeichnet werden.

Die Spannungen zwischen Optanten und Nicht-Optanten wurden nach dem Krieg zugunsten einer, nach außen fast zur Gänze von einer einzigen Partei (SVP=Südtiroler Volkspartei) vertretenen, Einheit im Kampf um Autonomie und kultureller Selbstbestimmung zum Tabu erklärt. Erst seit Mitte der 80er Jahre konnte darüber auch in der Öffentlichkeit gesprochen werden[xi]. Der doppelte Verrat - entweder die Heimat verlassen, aber dadurch die kulturelle Identität bewahren, oder in der Heimat zu bleiben und dadurch die Identität preiszugeben - der den Südtirolern als Wahlmöglichkeit für ihre Zukunft angeboten wurde, ließ keine Alternativen zu. So oder so mußte jede Entscheidung eine falsche sein.[xii]

 

Bomben und Terror

Die Zeit bis in die 70er Jahre war gekennzeichnet von z.T. sehr harten Auseinandersetzungen, auch unter Hilfe von terroristischen Mitteln seitens der Südtiroler bzw. äußerst dubioser Machenschaften der italienischen Geheimpolizei. Der Südtirolterror war damals, noch lange vor der spanischen ETA und der Nordirischen IRA, der einzig wirklich „heiße Herd“ in Westeuropa, und sorgte auch in NATO-Kreisen für Verunsicherung. Der zu Beginn jedes Blutvergießen vermeidende Demonstrationsterror eskalierte bald. Bis Ende der 60er Jahre kamen an die 20 Menschen bei ca. 350 Attentaten ums Leben.[xiii]

Während dieser Zeit schlossen sich Südtirols Ladiner geschlossen den Forderungen der Deutschen an, waren auch in der SVP vertreten - und wurden wegen des äußerst kräftezehrenden Konflikts zwischen den beiden großen Sprachgruppen als eigenständige Minderheit mehr oder weniger vollkommen vergessen.

 

Das Paket

Mit Abschluß der Verhandlungen über ein Autonomiestatut für die Provinz Bozen, dem sogenannten Paket, normalisierten sich die Spannungen zwischen den Sprachgruppen zusehends. Allerdings beruhte das Konzept des Zusammenlebens auf dem Grundsatz: „Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns“. Dieser Leitspruch, zwar von einem deutschen Politiker formuliert, paßte auch bestens ins Konzept der konservativen italienischen Parteien, und gilt, wenn auch in einigen Bereichen abgeschwächt, bis heute. Konkret bedeutet eine solche Politik, daß alle Bereiche des Lebens streng nach ethnischer Zugehörigkeit getrennt werden. So gibt es keine „gemischten“ Schulen, und wo aus Raumnot deutsche und italienische Kinder in demselben Gebäude untergebracht werden mußten, wurden die Stundenpläne so angelegt, daß Kinder verschiedener Muttersprache auch in den Pausen nicht aufeinandertrafen. Gesangsvereine, Theatergruppen, selbst Sportvereine wie z.B. die Bergsteigerverbände sind, von Ausnahmen abgesehen, sprachlich getrennt. Italienische Schüler werden zwecks Austausch nach Österreich oder Deutschland geschickt. Daß ein solcher Schüleraustausch auch in Südtirol selbst möglich sein sollte, dafür gibt es von seiten der Bevölkerung, vor allem der italienischsprachigen, immer mehr Unterstützung, die Politiker haben aber bisher alle Initiativen solcher oder ähnlicher Art zu verhindern gewußt.

Da Geld aber bekanntlich keine nationalen Grenzen oder Konflikte kennt, ist aber der Alltag in Südtirol, das derzeit zu einer der wohlhabendsten Provinzen Italiens aufgestiegen ist, selbstverständlich von „multikulturellen“ bzw. „multikapitalistischen“ Faktoren weitgehend mitbestimmt. TV-Programme, Printmedien aber auch alle wirtschaftlichen Beziehungen setzen sich mühelos über jede politisch-bürokratische Sprachbarriere hinweg. Das Zusammenrücken der europäischen Länder und vor allem Österreichs Betritt zur EU haben weiter dazu beigetragen, daß sprachlich-ethnische Konflikte nicht mehr im Vordergrund stehen. Sie bleiben aber weiterhin im Hinter- bzw. Untergrund des Südtiroler Alltags bestehen, solange nicht von dem Grundsatz des getrennten Zusammenlebens abgerückt wird.

 

Sprache und Moral

„Diese Anstrengungen (im Bereich eines integrierten Mutter- und Zweitsprachenunterrichts. P.G.) werden (...) dem Sprachenlernen der jungen Generation in den Schulen Südtirols zugute kommen. Die mehrsprachigen Südtiroler werden so auch zu guten Europäern.“[xiv]

Solche und ähnliche Zitate finden sich in den letzten Jahren wieder verstärkt in den verschiedenen Publikationen zum Fremdsprachenunterricht. Auf den ersten Blick eher harmlos und als eher holprige Versuche einer Revitalisierung humanistischen Gedankenguts wirkend, entpuppen sie sich beim zweiten Durchlesen schnell zu leeren bis dummen Phrasen: Wenn mehrsprachige Menschen zu etwas Gutem = Besserem als jetzt deklariert werden, was wird dann aus den einsprachigen Menschen, besser gesagt aus Menschen, die keine Fremdsprache beherrschen? Ob das dann schlechtere Menschen, schlechtere Europäer, schlechtere Deutsche usw. werden?

Moralische Fragestellungen bezüglich des Spracherwerbs sollten auf alle Fälle vermieden werden. Sie sind kein taugliches Instrument, das zur Lösung ethnischer Konflikte taugt.

„Wir nehmen Abschied vom Mythus (sic!) der Muttersprache als dem heiligen Schrein der Volksseele. Jede übersetzende und vergleichende Tätigkeit mit unseren Sprachen führt uns zur Kritik ihrer tausend Ungereimtheiten, Unbeholfenheiten, Unzulänglichkeiten. (...) Mehrsprachigkeit bedeutet, daß unsere Gedanken nicht an einer bestimmten Sprache hängen, nicht an deren Worten kleben. Unsere Mehrsprachigkeit ist der sprachliche Spielraum unserer geistigen Freiheit.“[xv]

Diese Formulierung Wandruszkas, der davon ausgeht, daß alle Menschen per definitionem „mehrsprachig“ sind, etwa in dem Sinne, daß bereits das Kind zwischen der „Sprache der Mutter“ und der „Sprache des Vaters“ zu unterscheiden versteht und sich auch beide Sprachsysteme mühelos aneignen kann, kommt dann auch der sprachlichen Situation in Südtirol viel näher als das vorherige. Wenn man das Axiom: „Sprache = mehrere Sprachen“ gelten läßt und somit auf die einschränkende Bestimmung „Sprache = Identität“ bzw. „Sprache=Kultur“ aufzugeben bereit ist, könnte in Konflikten dem Faktor Sprache seine abgrenzenden und xenophobischen Züge entzogen werden. Davon allerdings ist man in Südtirol, aber auch in allen anderen „Sprachkonfliktherden“ Europas derzeit noch weit entfernt. Im Gegenteil. Es sieht eher danach aus, daß die berechtigten Dezentralisierungstendenzen innerhalb der EU auch dazu benutzt werden, ethnische Feindseligkeiten wieder aufflammen zu lassen (z.B. in Belgien zwischen Flamen und Vallonen; in Deutschland gibt es, neben den vielen neorechten, immer mehr radikale türkisch(deutsche) Jugendliche; Italien hat Flüchtlinge aus Albanien z.T. wie Kriminelle behandelt; auch der z.Z. in fast jeder möglichen und unmöglichen Situation verwendete Begriff vom "clash of civilistion" bestätigt eher einen erstarrten "Kulturbegriff", verweist auf unausgesprochene Eigenarten und Unvereinbarkeiten zwischen den "Kulturen" = Nationen = Völkern = Rassen?). Das Beispiel Jugoslawien hat gezeigt, wie schnell ein System auseinanderfällt, wenn ethnische Fragen abgehoben von allen anderen Problemen zu Identitätsbekenntnissen werden.[xvi]

 

Interferenzen

Abseits der und gegen die politischen Ereignisse hat sich die Sprache Südtirols eine eigene Form geschaffen, mit den Problemen des täglichen Handeln fertig zu werden. Sprachökonomie setzt sich oft auch dann durch, wenn sie politisch gar nicht erwünscht ist. Das Deutsch weist in Südtirol eine Reihe von Wörtern und Redewendungen auf, die bereits in Nordtirol niemand mehr versteht: Das Patent (= Der Führerschein), die Targa (= Autonummernschild), ponte machen (wörtlich: eine Brücke machen = ein verlängertes Wochenende machen), der Macchiato (= kleiner Espresso mit Milch) usw. Es sind dies Interferenzen aus dem Italienischen, die vollständig in den deutschen Wortschatz aufgenommen wurden. Ein Großteil dieser Interferenzen stammt aus dem Bereich Verwaltungsfachsprache und hat seine historischen Wurzeln im faschistischen Italianisierungsversuch. Ein ganz anderer Bereich hingegen ist historisch nicht so einfach erklärbar und daher auch interessanter: der Großteil des Schimpf- und Fluchwortschatzes im Südtiroler Deutsch besteht aus italienischen Redewendungen, hauptsächlich aus dem Genital- bzw. Sexualbereich und aus religiösen Beschimpfungen.

Zu diesem psycholinguistisch bemerkenswertem Faktum (das Schimpfen bzw. Fluchen in einer anderen Sprache ist zu einem Teil enthemmend, d.h. man traut sich innere sprachliche Tabugrenzen leichter zu verletzen, zum anderen aber gleichzeitig auch „schuldmindernd“, weil man ja nicht in der „wirklichen“, „richtigen“, „eigenen“ Sprache flucht, man also während des Fluchens eigentlich gar nicht „man selbst“ ist) gibt es meines Wissens bisher leider noch keine eingehende Untersuchung.[xvii] Das Südtiroler Deutsch[xviii] wird also in Lexik und Semantik z.T. auch vom Italienischen bestimmt , es wird vor allem erst durch diese Interferenzen aus dem Italienischen zu dem, was es als eines z.B. vom nordtirolischen verschiedenes Sprachsystem ausweist

Das Italienische hat in Südtirol, wie bereits erwähnt, aus historischen Gründen selbst keinen ausgeprägten Dialekt. Als Sprache der Herrscher und der Macht war es bisher auch nicht gezwungen, Begriffe aus dem Deutschen zu übernehmen. In diesem Sinne kann es als reine Kolonialsprache bezeichnet werden. Mit wenigen Ausnahmen („canederli“ für „Knödel“ oder „crauti“ für „Sauerkraut“) hat das Deutsch keinen Einfluß ausgeübt.

Das Ladinische sieht sich mit gänzlich anderen Problemen konfrontiert: hier nur die zwei wichtigsten:

- „Ladinisch“ als einheitliches Idiom müßte erst geschaffen werden. Derzeit streiten sich die Vertreter der Dolomitentäler noch immer heftigst, ob, und wenn ja, was für eine erst zu definierende Norm (vor allem im schriftlichen Bereich) gültig sein solle. Ein erster Versuch, in den 80er Jahren ein „Ladin Dolomitan“ einzuführen ist vor allem an politischen Interessen gescheitert (ein solches „Einheitsladinisch“ würde nämlich wahrscheinlich die Ladiner Südtirols, die sich, wie erwähnt, der deutschen Minderheit in Südtirol verbunden sehen, wahrscheinlich wieder mehr an die zahlenmäßig stärkeren Ladiner in den benachbarten italienischsprachigen Regionen binden).[xix]

Da die ladinischen Varianten weitgehend nur als gesprochene Sprache existierten und existieren müßten vor allem im Bereich der Lexik eine Menge neuer Wortschöpfungen eingeführt werden, die derzeit noch gar nicht vorhanden sind.

 

Integrierte Sprachdidaktik

Mit Beginn der 90er Jahre entwickelt sich in Südtirol abseits der gesellschaftlichen und politischen fast tagtäglichen sprachlich-ethnisch-kulturell-nationalen Auseinandersetzungen eine bis dahin kaum vorstellbare Aktivität im Bereich des Schulwesens. Unter dem Motto „Integrierte Sprachdidaktik“ wird in einer Vielzahl Südtiroler Schulen für die Zukunft geprobt: in Schulversuchen werden neue Formen des Sprachunterrichts getestet, was im Falle Südtirols heißt, daß auch neue Formen des Zusammenlebens gesucht werden. Das neu gegründete „Pädagogische Institut“[xx] hat durch eine Vielzahl von Veranstaltungen und Publikationen einen breiten Rahmen für diese Entwicklung geschaffen.

„Es geht (...) um die Begründung und um die Etablierung eines sehr anspruchsvollen Konzepts, eines Konzepts, das geeignet ist, dem Sprachunterricht und darüber hinaus der Schule insgesamt ein neues Gesicht zu geben: Das tendenzielle Nebeneinander der Sprachfächer an der Schule soll einem neuen Miteinander weichen, und zwar nicht allein (und auch nicht vor allem) auf der methodischen Ebene, sondern in erster Linie auf der Ebene der Einstellung - und das heißt auch: in den Herzen der Lehrer und der Schüler.“[xxi]

Wer die Grundstruktur und Grundprobleme der Südtiroler Gesellschaft vor Augen hat, wird vermutlich auch schon ahnen, wo die Haupthindernisse für die Realisierung solch anspruchsvoller Ziele liegen. Das „Pädagogische Institut“ ist zuständig für die deutsche Schule, die zitierten Vorschläge und Versuche sind auch nur dort anzuwenden. Die italienische Schule hat ein eigenes für ihre Belange zuständiges Institut. „Integriert“ bezieht sich hier also nur auf den Deutsch- und Italienischunterricht in der deutschen Schule, nicht jedoch auf eine Integration der deutschen und italienischen Schule. Unter diesem Aspekt nehmen sich dann die „anspruchsvollen Konzepte“ dann doch sehr bescheiden aus. Trotzdem ist solchen Initiativen einiges an Innovationskraft zuzusprechen und es bleibt zu hoffen, daß sie als Beispiele für eine tatsächliche Integration dienen können.

 

Sprache und Text. Die Grenzen der „Multi - täten“

Die traditionelle Literaturgeschichtsschreibung ist, noch immer, im Wesentlichen geprägt von der Überzeugung nationalstaatlicher Eigenständigkeiten, die sich vor allem im sprachlichen Kunstwerk zu manifestieren scheinen. „Die deutsche Literatur“ ist demzufolge auch ein um vieles sinnprägenderer Begriff als etwa „die deutsche bildende Kunst“ oder auch „die deutsche Musik“. Nationalstaatliche Festschreibungen sind aber für Regionalliteraturen, speziell wenn es sich dabei um sprachliche Randgebiete handelt, keine tauglichen Mittel, um den Gegenstand zu beschreiben.

Heute "stellt niemand mehr in Südtirol die Frage, ob die Literatur der Region als deutsche, österreichische oder italienische Literatur zu klassifizieren sei. Käme aber jemand, ein Fremder, ins Land mit dieser Frage, würde man wohl den Kopf schütteln und allenfalls hinzufügen, die Frage sei falsch formuliert; oder man würde ihm erwidern, in Südtirol gebe es drei Literaturen, eine deutsche, eine italienische und eine ladinische, erstere sei, quantitativ wie qualitativ, seit rund 25 Jahren wieder von Bedeutung, die ladinischen und italienischen Autoren hingegen könne man an den Fingern einer Hand abzählen."[xxii]

Wenn hier im folgenden kurzen Überblick der literarischen Produktion in Südtirol ausschließlich von deutschsprachigen Publikationen berichtet wird, so liegt das vor allem deshalb, daß auf Ladinisch bzw. Italienisch kaum etwas geschrieben wurde, das über einen äußerst engen Kreis hinaus Beachtung gefunden hätte. Dies kann freilich nur behauptet werden, wenn man die Südtiroler Literatur von außen betrachtet. Aus der Innenperspektive ergibt sich eine gänzlich andere Situation, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden will.[xxiii]

Der (deutschsprachigen) südtiroler Literatur ergeht es im kleinen sehr ähnlich, wie der österreichischen in größerem Ausmaß in Bezug auf ihre Selbständigkeit: kaum wird das Thema aufgegriffen, sind sich alle einig, daß es selbstverständlich eine eigenständige österreichische bzw. südtiroler Literatur gibt, so einig man sich aber in dieser Haltung auch ist, so schnell wird sie dann wieder vergessen. Und so wie Mozart oder Handke zu den großen "deutschen" Kulturdenkmälern gehören, so sind auch alle südtiroler AutorInnen ohne weitere Kennzeichnung in den verschiedensten österreichischen Anthologien vertreten. In diesem Sinne läßt sich also leicht behaupten: die südtiroler Literatur wird (fast) vollständig dem österreichischen Literaturbetrieb einverleibt. Allerdings muß auch schnell hinzugefügt werden: und läßt dies mit sich ohne Widerstand geschehen.

Dies hat natürlich seine Gründe. Der wichtigste davon ist: in Südtirol gibt es einen einzigen Verlag, der Infrastrukturen, Kapital und Einfluß genug besitzen würde, um auch literarische Produkte einer größeren Öffentlichkeit zukommen zu lassen. Der "Athesia-Verlag" in Bozen beschränkt sich aber weitgehend auf bei Touristen beliebten Farbbänden zu Südtirol, ist Eigentümer der Tageszeitung "Dolomiten" und vertritt in allen Bereichen eine extrem konservativ-antiintellektuelle Position. Dort finden dann natürlich nur biedere "Heimatdichter" oder bereits verstorbene Autoren eine Möglichkeit, gedruckt zu werden. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, daß die einzige Institution in Südtirol, die mehr ist als ein sogenannter Klein- bzw. Selbstverlag, sich um Literatur nicht kümmert.

So ist es fast selbstverständlich, daß sich viele Autoren nach Publikationsmöglichkeiten im deutschsprachigen Ausland umsehen. Da die Beziehungen zur Schweiz, vor allem wohl auch wegen der grundsätzlich entgegengesetzten historischen Entwicklungen, kaum erwähnenswert sind[xxiv], orientiert man sich zunächst am österreichischen Markt. Der ist jedoch selbst wiederum von binnenspezifischen Eigenheiten und von marktbedingten Auseinandersetzungen mit den, inzwischen auch nur mehr wenigen, großen Verlagen in der Bundesrepublik geprägt. Die "großen" Autoren Österreichs werden heute, mit Ausnahme des Residenz Verlages, von Verlagen in Deutschland betreut.[xxv]

Und so wird es verständlich, daß einem südtiroler Autor, schafft er es endlich, außerhalb seines Landes einen Verlag zu finden, kaum mehr Interesse an seiner geographischen Herkunft entgegengebracht wird, als einem Autor aus Schleswig-Holstein oder Sachsen. In diesem komplexen System der literarischen Produktion und Vermarktung verlieren die Autoren aus Südtirol ihre herkunftsbezogene "multikulturelle" Komponente.[xxvi] Das Phantom der Multikulturalität endet bei der literarischen Produktion. "Multikulturelle " Autoren gibt es (noch) keine (ob in Zukunft welche "erfunden" werden, kann z.Z. noch nicht vorhergesagt werden).

 

Tumler, Franz. Südtiroler

"Wenn ich hier ein Bild des Landes Südtirol und des Lebens seiner Einwohner geben soll, muß ich zuerst etwas zu meiner Person erklären. Ich bin von Geburt Südtiroler, Jahrgang 1912, und ich bin es von Vaters Seite der Abstammung nach, aber bin in dem Land nicht aufgewachsen. Mein Vater starb früh, 1913; meine Mutter, die aus Wien stammte, ging zurück nach Österreich, da war ich anderthalb Jahre alt, und dort, in Linz an der Donau, wurde ich groß."[xxvii]

"Ich habe zwar etwas gegen Betitelungen, aber er (F. Tumler) ist der Vater unserer Literatur und der Vater unseres Erkennens".[xxviii]

Dieses letzte Zitat stammt von n.c. kaser (1947-1978), dem Autor, der die literarische Szene in Südtirol seit dem 2. Weltkrieg am tiefgreifendsten geprägt hat. Es bezieht sich auf einen Autor, dessen Werdegang in vielerlei Hinsicht höchst bemerkenswert ist: Franz Tumler (1912 - ), einst von den Nationalsozialisten gefeierter Jungautor, heute Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, ist seit jener Aussage kasers unbestritten zum ersten Vertreter der literarischen Moderne in Südtirol geworden. Freilich ahnte kaser nicht, welch einen "Vater des Erkennens" er sich da ausgesucht hat: Tumlers Verstrickungen mit dem NS-Literaturbetrieb wurden erst 1980 bekannt, zwei Jahre nach kasers Tod. Doch interessanter als die verdrängte Biographie, die ihr Subjekt wieder einholt - ein Vorgang, der sich wie ein roter Faden im Hintergrund des öffentlichen Lebens in Deutschland zu ziehen scheint - überraschender ist m.E. die Beobachtung, wie Tumler je nach Zeit und Ort mal als österreichischer, mal als deutscher, mal als südtiroler Autor definiert wird. Es geht hier nicht um die "Rechtmäßigkeit" einer Zuschreibung, sondern um deren "Möglichkeit". Daß Tumler in Südtirol zu den "einheimischen" Autoren gezählt wird, hat mit Tumler selbst wenig zu tun, sondern, wie bereits erwähnt, viel mehr mit kasers Vorbild-Zuschreibung. Dieses Image des im Ausland lebenden Südtirolers hat sich bis heute gehalten, trotz aller in den 80er Jahren bekanntgewordenen Fakten zu Tumlers NS-Vergangenheit. Hier scheint es sich tatsächlich eher um den Einfluß von und Respekt vor kaser und dessen "Postulierungen" als um Tumler selbst zu handeln, der ja nur als Kleinkind eine kurze Zeit in Bozen verbrachte, in dem Sinne also keineswegs als "südtiroler" Autor bezeichnet werden kann. Tumler selbst hat sich in seinen Arbeiten zwar intensiv mit dem Thema "Südtirol" beschäftigt und diese geographische Zuschreibung bisher widerstandslos mit sich geschehen lassen, wird aber außerhalb Südtirols normalerweise der "österreichischen" Literatur zugeordnet.[xxix] Daß Tumler während der Zeit des Nationalsozialismus als "deutscher" Autor galt, ist selbstverständlich, weniger aber die Frage, ob ein Autor, der nun seit bald 40 Jahren in Berlin lebt und arbeitet, noch als "österreichischer" Autor zu bezeichnen ist.

So läßt sich an diesem Beispiel exemplarisch darstellen, wie schwierig es sein kann, in der Literaturgeschichtsschreibung eindeutige Festlegungen zu treffen. Sogenannte "Randgebiete" eines Sprachraums erweisen sich dabei immer als besonders problematisch, da die Exaktheit der politischen Grenzen nie mit den sich ständig in Bewegung befindenden "Kulturgrenzen" übereinstimmen können. Dies allerdings ist nur dort ein Problem, wo sich die Literaturgeschichte einer nationalstaatlichen Legitimation verpflichtet fühlt. Das Konzept der "Randgebiete" funktioniert ja auch nur dann, wenn ein "Zentrum" angenommen wird. Unter einer solchen Perspektive ist es auch verständlich, warum die Südtiroler sich nach der Existenz einer "südtiroler Literatur" fragen, die Österreicher sich nach jener einer "österreichischen", es aber niemandem in Deutschland einfällt, sich erstens: nach dem Vorhandensein einer "deutschen" Literatur zu fragen und zweitens: die Existenz einer "österreichischen", "schweizer" oder auch "südtiroler" Literatur in Frage zu stellen. Dort wo regionale Entwicklungen darstellt werden sollen, sind geographische Zuordnungen sicher sinnvoll. Sie können aber gänzlich unangebracht sein, wenn es z.B. um Untersuchungen zu Themen, Motiven, Entwicklungen in bestimmten Epochen usw. geht. Franz Tumler muß also erwähnt werden, wenn die Gegenwartsliteratur in Südtirol geschrieben wird. Für die Qualität seines literarischen Schaffens bleibt jedoch die Tatsache, daß er "von Geburt Südtiroler" sei, bedeutungslos.

 

Südtiroler Miszellen

Eine detaillierte Beschreibung zur aktuellen und historische Entwicklung der Literatur in Südtirol soll und kann hier keine geliefert werden.[xxx] Zum Abschluß aber doch noch eine äußerst reduzierte "Hitliste".

Der zentrale Platz in Bozens Innenstadt heißt "Waltherplatz", benannt nach Walther von der Vogelweide (1170?-1230). Obwohl eine südtiroler Herkunft Walthers wissenschaftlich keineswegs gesichert ist, ist Walther inzwischen in Südtirol trotz philologischer Bedenken zu einem "echten" Einheimischen avanciert, vor allem deshalb, weil das Denkmal Walthers, das dem Platz seinen Namen gibt, von den italienischen Faschisten in einen abgelegenen, kleinen Park transportiert worden war, und erst in den 70er Jahren wieder an seinen alten Standort zurück gebracht wurde. Der "deutsche" Minnesänger paßte wenig zu den Italianisierungsplänen Mussolinis. "Der" Walther (= das Denkmal) symbolisiert heute in Südtirol also weniger einen Höhepunkt mittelalterlicher Lyrik als vielmehr die wiederhergestellte "Ordnung der Verhältnisse": auf einem der wichtigsten Plätze der Stadt steht die Statue eines der wichtigsten deutschen Dichter.

Eindeutig hingegen ist die Herkunft von Oswald von Wolkenstein (1377-1445) belegt. Seine sperrigen, realistisch bis derb anmutenden Verse haben es aber nie leicht gehabt, in Südtirol mehr als das Interesse der wenigen "Gebildeten" zu wecken. Zu wenig heimatverbunden, zu wenig Gott ergeben, bleibt Oswald bis heute noch ein "südtiroler Außenseiter", jemand der nicht in das harmonische Bild einer intakten Sprachgruppe paßt.

Die Bedeutung von Walther und Oswald beschränkt sich mehr oder weniger auf die akademische Erforschung der mittelalterlichen Literatur. Und da es in Südtirol (noch) keine Universität gibt[xxxi], ist auch die "Präsenz" dieser beiden bedeutendsten Autoren des deutschen Mittelalters in Südtirol relativ bescheiden.

In den folgenden Jahrhunderten fehlen in der südtiroler Literatur über die geographischen Grenzen hinausragende Persönlichkeiten, was nicht bedeuten soll, daß es keine literarische Produktion gegeben hätte. Sie aber blieb "provinziell", was sich nicht auf ihre Qualität sondern auf ihre Verbreitung bezieht.

Zwei Autoren gelang es in den 80er Jahren, sich in kurzer Zeit einen relativ festen Platz in der Literaturszene des gesamten deutschen Sprachraums zu verschaffen. n.c. kaser (1947-1978) erlebte seinen eigenen literarischen Ruhm nicht mehr. Die dreibändige Werkausgabe[xxxii] erschien erst zehn Jahre nach seinem Tod, wurde aber von der Kritik ausnahmslos sowohl formal wie auch thematisch als höchst anspruchsvolles Œuvre aufgenommen. kasers Einfluß auf die zeitgenössischen südtiroler Autoren ist nach wie vor ungebrochen, er war der erste, der einen radikalen Schlußstrich unter die bis dahin vorherrschende "Erbauungsliteratur" zog.

1982 erschien von Josef Zoderer (1935-) der Roman "Die Walsche". Das im Titel für die Hauptfigur verwendete Schimpfwort (als"Walsche"=Welsche werden die Italiener bezeichnet) erlebt ihre kulturelle Andersartigkeit in einem kleinen südtiroler Bergdorf. Die Thematik der Fremdheit, der Suche nach Heimat, der "(inter)kulturellen Differenz" und die Tatsache, daß es Zoderer gelang, für seine Arbeit einen großen bundesdeutschen Verleger zu finden (Hanser) verhalfen dem Buch zu einem beachtlichen Erfolgt. Der im selben Jahr neu aufgelegte Roman aus dem Jahre 1976 "Das Glück beim Händewaschen", sowie "Lontano" (1984) und "Dauerhaftes Morgenrot" (1987) festigten Zoderers Stellung als mit Abstand bekanntesten lebenden südtiroler Autor.

Die 90er Jahre brachten eine Vielzahl von Publikationen neuer Autoren, denen aber ein größeres überregionales Echo bisher nicht gelang. Auffallend bleibt jedoch die Tatsache, daß sich die meisten AutorInnen weiterhin nach Publikationsmöglichkeiten in Österreich bzw. Deutschland umsehen müssen, da es in Südtirol diesbezüglich keine geeigneten Verlage gibt.

 

Ausblicke

Zusammenfassend noch ein paar abschließende Bemerkungen:

- Zu jeder Zeit und überall haben Menschen verschiedener Muttersprache zusammengelebt.

- Überall wo Menschen verschiedener Muttersprache mit- bzw. nebeneinander leben, wurden und werden sprachliche und ethnische Argumente als Propagandamittel für die verschiedensten Zwecke eingesetzt.

- Multi- oder Plurilingualismus ist ein abstraktes Hilfsmittel der Wissenschaft. Wer wann wo wie und warum als multi- oder plurilingual zu bezeichnen ist, dafür gibt es derzeit noch keinerlei gültige Parameter.

- In Südtirol haben im 20. Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen stattgefunden. Die jetzt relativ stabile, wenn auch nicht spannungsfreie Situation könnte für ein noch utopisch erscheinendes "Europa der Regionen" in manchen Bereichen durchwegs Vorbildcharakter haben.

- Solange jedoch andrerseits offiziell die Trennung der Sprachgruppen weiterhin als ein beizubehaltender Idealzustand angesehen wird, scheint die Chance einer mobilen "Interkulturalität" verspielt zu werden.

Sprache und Schrift - deren Umsetzung in Zeichen - sind nicht per definitionem an ein einziges Idiom gebunden. Das Europa der Zukunft wird, wenn es als solches bestehen bleiben will, neue Konzepte der "Mehr-Sprachigkeit" erst "erfinden" müssen. Auf dem Weg dorthin könnten aufmerksame Analysen und Beobachtungen von sprachlichen "Konfliktherden", wie hier am Beispiel Südtirol kurz vorgestellt, dazu dienen, bereits gemachte Fehler zu vermeiden und neue Türen zu öffnen helfen.

 

In: 

多言語状況におけるテクスチアリテの政治学。南チロル−生きられた 間文化性

(tangengo johkoyh ni okeru tekusutuariti no seijigakku. minami chiroru – ikirareta

kanbunkasei = Politik der Textualität in mehrsprachigen Gebieten. Südtirol – gelebte Interkulturalität. Übersetzt von Takemura Tomoko)

池田信雄、西中村浩(編):間文化の言語態。東京大学出版会 2002 P。97ー118

(Nobuo IKEDA, Hirohsi NISHINAKAMURA Ed.: Praxis of Language. 6. Interculturality. University of Tokyo Press 2002. S. 97-118)



[i] Born/Dickgießer: Deutschsprachige Minderheiten. Mannheim 1989. S. 105.

[ii] Handbuch des Deutschtums im Auslande. Berlin 1906. S. 70.

[iii] Eine ausführliche Darstellung dazu findet sich bei Heuberger, Richard: Rätien im Altertum und Frühmittelalter. Innsbruck 1932.

[iv] Larcher, Dietmar: Ausflug in die Dreisprachigkeit. Zu Gast in ladinischen Schulen: In: Ders.: Fremde in der Nähe. Interkulturelle Bildung und Erziehung im zweisprachigen Kärnten, im dreisprachigen Südtirol, im vielsprachigen Österreich. Klagenfurt/Celovec 1991. S. 211 ff.

[v] Staffler R./ v. Hartungen Chr.: Geschichte Südtirols. Das 20. Jahrhundert. Hintergründe/Quellen/Dokumente. Bozen 1985. S. 89.

[vi] Lex Gentile vom 01.10.1923. Zitiert nach Staffler R./ v. Hartungen Chr., S. 78.

[vii] Gatterer Klaus: Im Kampf gegen Rom. Bürger, Minderheiten und Autonomien in Italien. Wien 1968. S. 461.

[viii] Langer, Alexander: Zehn Punkte für das Zusammenleben. In: Baur S./Dello Sbarda R. (Hrsg.): Alexander Langer. Aufsätze zu Südtirol 1978-1995 Scritti sul Sudtirolo. Meran/o 1996. S. 241f.

[ix] Diese freiwilligen, früher Bauerntruppen, heute zwischen Touristenattraktion und Vertreter konservativster nationaler Tradition angesiedelten Vereine, sind im deutschsprachigen Alpenraum in fast jedem Dorf vertreten. In Bayern und Nordtirol sind sie bei Aufmärschen bewaffnet, in Südtirol ist dieser Brauch seit den Bombenanschlägen in den 60er Jahren verboten worden. Die Schützen sehen es u.a. auch als ihre "heilige" Pflicht an, das Deutschtum zu schützen.

[x] Siehe dazu: Gatterer, Klaus: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti. Porträt eines "Hochverräters". Bozen 1997.

[xi] Vgl. dazu etwa die Lebenserinnerungen von Thaler, Franz: Unvergessen. Bozen 1988, und Steurer L./Verdorfer M./Pichler W. (Hrsg.):Verfolgt, verfemt, vergessen. Lebensgeschichtliche Erinnerungen an den Widerstand gegen Nationalsozialismus und Krieg. Südtirol 1943-1945. Bozen 1997.

[xii] Ausführlich dokumentiert ist diese Zeit im Katalog zur Ausstellung: Eine Geschichte Südtirols. Option. Heimat. Optioni. Una storia dell´ Alto Adige. Bozen 1989.

[xiii] Vgl. dazu Baumgartner E./Mayr H./Mumelter G.: Feuernacht. Südtirols Bombenjahre. Ein zeitgeschichtliches Lesebuch. Bozen 1992 und Peterlini, Hans Karl: Bomben aus zweiter Hand. Zwischen Gladio und Stasi: Südtirols Mißbrauchter Terrorismus. Bozen 1993.

[xiv] Flügel, Christoph: Formen und Perspektiven der Integration zwischen muttersprachlichem und fremdsprachlichem Unterricht. In: Nitz, Siegfried (Hrsg.): Neue Perspektiven für Lehren und Lernen in der Oberschule. (= Beiträge zu Erziehung und Unterricht in Südtirol. Bd. 1) Bozen 1991, S. 70.

[xv] Wandruszka, Mario: Die Mehrsprachigkeit des Menschen. München 1979. S. 334.

[xvi] Zukunftsperspektiven für eine Europa-Region der Alpen, innerhalb der sich die sprachlichen Spannungen in Südtirol aufheben würden hat vor kurzem ein italienischer Journalist in seinem neuesten Buch formuliert. Luverà, Bruno: Oltre il confine. Euregio e conflitto etnico: tra regionalismo europeo e nuovi nazionalismi in Trentino-Alto Adige. Bologna 1996.

[xvii] Zur Zweisprachigkeit allgemein siehe: Egger, Kurt: Zweisprachige Familien in Südtirol. Sprachgebrauch und Spracherziehung. (=Germanistische Reihe 27) Innsbruck 1986; ders.: Die Sprachen unserer Kinder. Spracherwerb in einem mehrsprachigen Gebiet. Bozen 1994; Weber Egli, Daniela: Gemischtsprachige Familien in Südtirol/Alto Adige. Bozen 1992.

[xviii] Unter "Südtiroler Deutsch" ist eine den verschiedenen z.T. stark voneinander abweichenden Dialekten übergeordnete Verkehrssprache zu verstehen, die von allen verstanden wird. Auf die Besonderheiten der Dialekte in Südtirol kann hier nicht eingegangen werden.

[xix] Siller-Runggaldier Heidi: Probleme des Ladinischen heute am Beispiel der Wortschatzerweiterung. In: Lanthaler, Franz (hrsg.): Dialekt und Mehrsprachigkeit. Dialetto e plurilinguismo. Bozen 1994. S. 137-146.

[xx] Das Pädagogische Institut für die deutsche Sprachgruppe wurde in den 80er Jahren mit Sitz in Bozen gegründet und bemüht sich vor allem darum, neue Impulse im Schulalltag zu ermöglichen.

[xxi] Flügel, Ch./Sitta, H.: Theoretische Probleme einer integrierten Didaktik Muttersprache/Zweitsprache. In: Gelmi, R./Saxalber A.(Hrsg.): Integrierte Sprachdidaktik. Theoretische Beiträge. Didattica linguistica integrata. Apporti teorici. Bozen 1992. S. 9. Zur "Immersionsmethode" in Katalonien und Finnland siehe Artigal J. M./Laurén Ch.: Immersione linguistica per una futura Europa. I modelli catalano e finlandese. Bozen 1996.

[xxii] Holzner, Johann: Literatur in Südtirol - deutsche, österreichische, italienische Literatur? In: Schmidt-Dengler W./Sonnleitner J./Zeyringer K. (Hrsg.): Literaturgeschichte: Österreich. Prolegomena und Fallstudien. Berlin 1995.

[xxiii] Ein detaillierter Überblick zum literarischen Leben mit Textproben und Kurzinformationen zu über 170 AutorInnen in Südtirol ist zu finden bei Grüning, Hans-Georg: Die zeitgenössische Literatur Südtirols. Probleme, Profile, Texte. Ancona 1992.

[xxiv] Gründe für diese seltsame "Bezugslosigkeit" sind allerdings rein spekulativ. Auffallend ist nur, daß das Thema "Schweiz" so gut wie keine Rolle in Südtirol spielt. Es gibt dazu meines Wissens auch keinerlei Publikationen.

[xxv] Siehe dazu: Klein, Michael: "Österreichische Literatur von außen". Personalbibliographie zur Rezeption der österreichischen Literatur in deutschen und schweizerischen Tages- und Wochenzeitungen. 1975-1994. Innsbruck 1996.

[xxvi] Als eines von unzähligen Beispielen sei hier auf die von Helmut Eisendle herausgegebene Anthologie "Österreich lesen. Texte von Artmann bis Zeemann" ,Wien 1995, hingewiesen, in der sich unter den 86 Autoren auch 7 Autoren (Egger O., kaser n.c., Kofler G., Paulmichl G., Tumler F., Vallazza M., Wimmer E.) aus Südtirol finden.

[xxvii] Tumler, Franz: Das Land Südtirol. Menschen. Landschaft. Geschichte. München 1971. S 7.

[xxviii] kaser, norbert conrad: Südtirols Literatur der Zukunft und der letzten zwanzig Jahre. In ders.: prosa. gesammelte werke. band 2. Hrsg. v. B. Sauer und E. Wimmer-Webhofer. Innsbruck 1989. S. 117.

[xxix] Ralf Schnell geht in seiner "Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945", Stuttgart-Weimar 1993, auch kurz auf die Frage ein, ob denn die österreichische Literatur nicht eine "Literatur der Einzelgänger" sei und verweist dabei auch "auf eine andere Außenseiterfigur, den lange Jahre in Berlin lebenden Franz Tumler nämlich." S. 522. In einem anläßlich zum Österreich-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 1995 herausgegebenen vierbändigen "Katalog-Lexikon zur österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts" ,Wien 1995, hingegen fehlt der Name Tumler.

[xxx] Siehe dazu Anmerkung 23.

[xxxi] Die Errichtung einer eigenen Universität in Südtirol ist seit den 60er Jahren immer wieder Thema in der Öffentlichkeit. Bisher scheiterte das Projekt wegen des Widerstands der Südtiroler Volkspartei, die durch eine, notgedrungen zweisprachige, Universität eine "Vermischung" der Sprachgruppen befürchtete. Innsbruck ist nach wie vor "Landesuniversität". Dort sind deutschsprachige Südtiroler den österreichischen Studenten gleichgestellt. In den letzten Jahren ist das Projekt Universität wieder aktuell geworden. Eine bereits gegründete "Europäische Akademie" soll demnächst in Bozen ihren Betrieb aufnehmen.

[xxxii] Haider,H./Methlagl W./Scheichl S. P. (Hrsg.): norbert c. kaser. Gesammelte Werke. Innsbruck 1988-91.