alt. monolog

 

 

du weißt nicht wie es ist. stundenlang hinstarren. nichts wissen kannst du, nichts fühlen. wenn die blase nicht mehr deinem willen folgt, dein urin ins leintuch rinnt, feucht, ganz kurz noch warm, dann diese kälte wie am meer in den morgenstunden. du sitzt im trockenen, bist gerettet. noch. und die einzige freude manchmal, dass es euch allen ähnlich ergehen wird, ohne ausnahme. keine sprache hab ich mehr, kein wort kommt mehr aus meinem mund wie ich es möchte, die abfolge der ereignisse bestimme ich nicht mehr, oft ist alles gleichzeitig, es kommt, es geht. und du glaubst, ich sei nicht mehr bei trost, schon leicht verrückt, oder ganz. nur weil mein mund mir nicht gehorcht. ich kenne dein lächeln, wenn es falsch ist zieht es dir leicht die mundwinkel nach unten, kaum sichtbar, aber ich kenn dich lange. du warst schon als kind immer falsch, gelogen hast du, gestohlen, mein geld überall gesucht und gefunden, als ganz kleines kind schon. erst viel später hast du dich beruhigt, dein verschlagenes lächeln ist dir geblieben. bis heute. und wenn du kommst und an dem bett stehst und erzählst und versuchst, mir die zeit zu vertreiben, dann seh ichs sofort, dann fühl ichs sofort, auch bei geschlossenen augen. es ist anstrengend für dich, du stehst oder sitzt nicht freiwillig bei mir. nur weil es dir keine ruhe lässt, weil dir die nächte manchmal zu lang sind und die träume zu schlecht. in windeln lieg ich jetzt schon seit geraumer zeit, und bis ans ende wird sich nichts mehr ändern. kannst du dir vorstellen wie das ist. am anfang versucht man noch, die schließmuskeln so lange im griff zu haben, bis eine schwester sichtbar ist, nur einen schritt entfernt wäre die klingel, aber was nützt eine klingel, wenn kaum personal da ist. und wie der druck immer stärker wird, die blase explodiert oder der darm oder beide gleichzeitig. und dann der gestank, das ganze zimmer äzt schon, da hilft kein lüften mehr, kein bettwäsche wechseln. es ist dieser leicht beißende geruch, vermischt mit jenem aus der großküche, nahrung und dreck, getränke und urin. du bleibst eine stunde oder zwei oder drei und ich weiß, dass du tief atem holst, wenn du endlich dieses gebäude verlassen kannst. kein vorwurf nein, aber auch keine absolution. ich muss mein bett ertragen, die windeln, den täglichen einheitsbrei, du dein schlechtes gewissen. du tust mir nicht leid. sagen möcht ich dir vieles, nichts kennst du aus meinem leben, von allem haben wir dich verschont, haben geschwiegen. wegen dir. nicht wegen uns. du solltest es besser haben, du hast es jetzt besser, warum sollte ich rücksicht auf dich nehmen. nimm meine hand. siehst du, das bleibt übrig. knochen, mit ein bisschen dünner, glänzender haut überzogen, an den gliedansätzen ein paar wasserknorpeln, die bei tiefdruckwetter schmerzen. diese hand hat ja auch gestreichelt und geliebt und kraftvoll gehasst. und jetzt bräuchtest du nur etwas kräftiger zudrücken und die knochen würden entzwei brechen. wie zahnstocher. nein, zieh sie nicht weg, manchmal brauch ich noch ein bisschen wärme. es tut gut, nicht immer nur das kalte eisen des bettgestells zu spüren. wenn ich loslasse, weicht deine hand ganz automatisch zurück. man spürt das schnell. die haut berührt sich und schon kommt spannung auf, fluchtbewegungen. deshalb haben die toten und wir halbtoten solche kräfte. wir spüren, wie ihr euch loszureißen versucht. unsere angst ist stärker als eure. die zeit bis du wiederkommst will nicht vergehen. auch wenn du morgen wieder da bist. weißt du, wie lange ein abend, eine nacht und ein morgen zusammen sein können. du weißt es natürlich nicht. nur beim essen und entleeren gibts abwechslung. beides unangenehm. das erste schmeckt nicht, das zweite ist erniedrigend. und dazwischen all die vielen augenblicke, die leere zeit, die mir früher immer gefehlt hat. diese zeit jetzt ist so anders, so völlig verschieden und mit der zeit hab auch ich mich verändert, bin nicht mehr so wie am anfang. in der jugend konnte ich eine ewigkeit irgendwo sitzen und träumen, heute verwünsche ich jede sekunde, die ich allein bleiben muss. und du hast keine geduld, denkst nur an dein leben, an die verlorene zeit bei mir. wenn ich gehen könnte. lange wollt ich es nicht glauben, lange auch nicht zugeben. aber irgendwann wars soweit, die füße reagierten nicht mehr, die angst kam über nacht. nur mehr aus angst bestehen wir hier. angst, allein zu bleiben, übrig zu bleiben, allein zu sterben, niemand der da ist, wenn wir sterben. rundherum wartet ihr ja alle, dass wir sterben, tut so, als sei das das normalste auf der welt, mit diesem alter usw. dabei ändert sich gar nichts. oder möchtest du jetzt sterben. du könntest es sogar, hast kraft genug, wir können nicht einmal mehr sterben. wenn ich aber mehr kraft hätte, würde ich auch nicht sterben wollen. das geschäft geht schlecht. hinter dem vorhang muß doch ein besen stehen und noch weiter. wer hat hier den ganzen dreck hinterlassen. spült den boden sauber und dann die treppe. nein, entschuldige. manchmal sind bilder da, ich verliere mich und finde mich woanders wieder, aus den einfachen erlebnissen gibt es keinen ausweg. immer tiefer, falle ich in die geschichte hinein, möchte vergessenes in ordnung bringen, so alt schon. meist bricht dann das wort ab, ohne worte ist die welt eine andere. du bist noch jung, alt genug schon aber doch jung und du könntest mir wieder eine semmel mitbringen. der bäcker am hinteren ende vom stadtpark ist der beste und mama hat nur sein brot gegessen, so wie ich auch. wenn viele da leute sind, sag einfach, dass es für mama ist. vielleicht ist besser, du sagst, die sind für mich, seine frau mag mama nicht, aber die ist sicherlich schon lange gestorben, beide sind sie ja umgekommen bei dem unfall damals, als gerade die neue straße fertig war. du erinnerst dich noch. die leichen hat man aus dem auto herausschneiden müssen, alles kaputt, die leute sagten, dass einige teile vom rumpf abgetrennt gewesen waren und man nicht wusste, ob sie ihm oder ihr gehörten. er hatte ja immer sehr viel getrunken, ein böser mensch eigentlich, obwohl er zu mir immer freundlich gewesen ist. jetzt führt der sohn das geschäft, mit dem bist du ja zur schule gegangen. nein, der enkel muss das natürlich sein, oder ist der mit deinem vater in einer klasse gewesen. das sind alles so sachen im leben. ganz lustig ists oft gewesen. hörst du. da klopft jemand in der wand. nein. doch, doch, sei ganz still, jetzt, jetzt. nein, das ist nicht die heizung. jede nacht, kein auge kann ich zutun, absperren kann ich auch nicht, so machen sie mich fertig. beim essen muss man aufpassen, dass diese weiber nichts mitnehmen, kalt ist sowieso alles, stehen da am gang, reden, rauchen, lassen uns krepieren, behandeln uns wie debile, wie kleinkinder. weiber. hätte ich kraft genug, ich würde sie alle umbringen. du hörst es noch immer nicht. da. wie wenn mir jemand im kopf von innen aufs trommelfell schlagen würde. du willst nichts hören, ich weiß. damit du dann wieder sagen kannst: heut ist ein schlechter tag, heut spüren sie das wetter. die letzten jahre in diesem loch. du hast gesagt, in der wohnung sei kein platz, viel zu klein alles, du könntest dich nicht ständig um mich kümmern. schau dich um. so ein loch hättest du mir auch in der wohnung geben können und pflege gibt es auch hier keine. essen, windeln wechseln. ist das pflege. deine wohnung. das war meine wohnung. immer war das meine wohnung gewesen. und bei der ersten kleinen schwierigkeit hat du mich hinausgeworfen und hierher gebracht. schau nicht so. du weißt, es stimmt. du bist mich los. du kannst dich entfalten. ich muss mich zu tode liegen. nein, geh noch nicht. einmal kannst du ja auch das tun, was ich will. bleib sitzen, red ein bisschen mit mir. wenn du hunger hast, dort drüben steht noch ein teller mit dem kuchen von gestern. dich ekelt, ich weiß, aber für den ärgsten hunger ist das gar nicht so schlecht. ich ekle mich bei jeder mahlzeit, schon diese metallteller, diese geschmacklose kälte und dann der brei, immer dasselbe, woche für woche. und wenns jeden tag anders wär, es bliebe alles gleich. gefüttert wie die kühe im stall, sie füttern uns nur, weil sie hoffen, weil sie wissen, dass es nicht mehr lange gehen kann, und sollte es all zu lange gehen, dann spritzen sie luft oder wasser, oder mischen gift in den fraß. wenn wir glück haben, merken wir nichts. aber niemand von uns ist so blöd, dass er nichts mehr merkt. gib mir die schachtel dort drüben. nicht die. da hinten die. ja. siehst du. das sind all die haare, die ich da in den ersten jahren im zimmer gesammelt habe. kein einziges von mir. alles weiberhaare. niemand putzt. einfach ein bisschen in die ecke gekehrt und schon blitzt der linoleumboden wieder. schau dirs nur gut an. kein einziges weißes haar. die gehen immer schnell in die toilette und anstatt dort zu putzen, stehen sie vor dem spiegel, nehmen meine bürste, kämmen sich. als ich noch ein bisschen besser war, hatte ich dort auch meinen toilettenramsch, diese trampeln benutzten das immer. wortlos. nimm die schachtel. ich kann jetzt nicht mehr gehen, nimm sie und geh zum bürgermeister. zeig ihm all die haare. steck sie ihm ins maul und sag ihm schöne grüße von uns. weißt du, was wir hier bezahlen. das ist dein ganzer monatsgehalt. für die paar quadratmeter, das essen, die windeln. soviel geld für nichts. da uns der staat nicht direkt schröpfen kann, hat er die altersheime erfunden. ich finanziere deinen luxus mit. uns fragt schon lange keiner mehr. seit ich nicht mehr gehen kann, wird der dreck von tag zu tag unerträglicher. wenn ich mich darüber aufrege, wenn ich für mein geld auch die entsprechende leistung will, dann sagen sie: heute spinnt man wieder. und nachdem keiner von euch lust hat, die wahrheit zu hören, schaut ihr alle weg, verschließt die ohren vor unseren schreien und die nasen vor dem gestank und tut so, als sei alles normal, nur die paar alten verrückt. du auch. du bist um nichts besser. du glaubst mir natürlich nicht. jetzt, wo ich kaum mehr kräfte habe, traust du dich, mir nicht zu glauben. früher hast du dir auf die zunge beißen müssen, hast du das geld noch gebraucht, da musstest du zuhören, dein versteinertes lächeln, ich hab es genossen, wusste, dass ich nichts zu befürchten habe, solange nichts aus dir wird. tagtäglich bist du angewinselt gekommen. oft habe ich mich auch gefreut. vielleicht war auch dein kommen nicht immer ein vorwand. hierher kommt ja fast niemand, und wenn, dann alles gescheiterte existenzen. manchmal vergehen tage und ich sehe im ganzen stockwerk niemand anderen als die zwei drei pflegetrampeln. wir bleiben meistens unter uns. die pfaffen sind noch schlimmer, ihr desinteresse ist offenkundig, an unser geld kommen sie in den letzten jahren nicht mehr so leicht heran. hier ist ja alles staatlich, die pfaffen haben ihre eigenen heime, staat und pfaffen teilen sich unser geld brüderlich auf. beim letzen fasching war ich unten im saal, im rollstuhl. da haben sie uns mit papiernasen und karnevalshüten dekoriert. ein hobbyclown trat auf, kinder und eine schlechte kapelle. jeder bekam ein glas sekt. politiker waren auch da. es war peinlich. neben mir saß eine, die hatte einen rollstuhl mit eingebauter leibschüssel. sie furzte ständig, es stank. niemand verzog die miene, alle saßen wir da mit unserem bösen lächeln. im dezember kommt der nikolaus, wie im kindergarten. sonst ist wenig los. es soll noch tanzabende und gymnastikkurse geben. ein hohn. am ehesten kommen leute, wenn jemand neu ins haus kommt, oder wenn jemand stirbt. da kommen dann immer völlig unbekannte gesichter. und alle haben in ihren augen diesen schein voll von misstrauen und raffgier, jeder hofft insgeheim einen unbekannten schatz zu entdecken, und jeder ist sicher, dass irgendwer alles geklaut hat, wenn sich dann wieder herausstellt, dass außer dem sparbuch mit den jämmerlichen ersparnissen nichts zu finden war. das sind so unsere kleinen freuden. da sitzen wir dann alle vor unseren zimmern, lassen uns in den rollstühlen hinaus schieben, und die traurigen hinterbliebenen müssen den langen gang entlang durch verwesendes tausenjähriges menschenfleisch. wir freuen uns königlich, wenn wir die enttäuschten und misstrauischen blicke dieser erfolglosen schatzgräber spüren. wär ich zuhause in der wohnung, könntest du mir die zeitung vorlesen, ich würde dir gern einmal wieder beim kochen zusehen. oder kochst du nicht mehr. immer sagst du, du hast keine zeit. wofür hast du denn zeit. was tust du den ganzen tag. diese magere stunde, die du jeden tag bei mir verbringst. samstag und sonntag kommst du dann überhaupt nicht, da musst du dich entspannen, sagst du. eine einzige stunde. da blieben dann noch genug übrig. aber ich will mich nicht beklagen. du kannst dir nicht vorstellen, du willst es nicht, wie lange ein tag sein kann, wenn niemand ins zimmer schaut, außer die weiber. je hilfloser wir werden, desto weniger schauen sie herein. sie wissen, dass wir uns nicht mehr wehren können, sie rechnen mit den paar verwandten, die auch verständnisvoll mit dem kopf nicken, da ist halt nichts mehr zu machen, altersschwäche, leider kein leichter fall, depressiv, oft böse und eigensinnig. sie tauschen sich ihr schlechtes gewissen aus, sie beruhigen sich gegenseitig, sie sind die sieger. gib mir ein stück apfel. nicht so dünn. die schale kann ich nicht beißen. schnei doch nicht den halben apfel weg. unter der schale sind die meisten vitamine, die kannst du mir doch gönnen. schmecken auch nach nichts mehr. alles verpestet, alles vergiftet. gift wird versprüht, von den autos, von den fabriken, von den spraydosen der weiber, die männer haben schon die lungen kaputt, die weiber abgetrieben. geraucht haben wir ja auch. aber damals war noch alles anders. du kannst dir das nicht vorstellen. wie das so war. heimlich haben wir uns getroffen, unsere familien konnten sich nicht riechen, wie romeo und julia. alle möglichen lügen sind uns eingefallen, nur um ein paar stunden zusammenzusein. ein paar stunden nur. wenn ichs recht bedenke haben wir uns insgesamt wohl kaum mehr als ein paar tausend stunden gesehen. die hochzeit war unser abschied. ich war damals noch dumm genug, um glücklich zu sein. dann noch ein paar briefe geschrieben und uns nie mehr wiedergesehen. ich habe gewartet, jahrelang. erst jahre später hab ich noch einmal etwas angefangen. aber im grunde habe ich immer nur gewartet, ein ganzes leben lang. bis heute. manchmal, wenn mir die zeit gar nicht vergehen will, dann stell ich mich vor, wie das so wäre, wenn wir uns jetzt plötzlich sehen würden, ob wir uns überhaupt wiedererkennen würden. groß, schöne, offene schwarze haare, ich muss wohl bis zum ende warten, bis ich endlich sterbe. irgendwie werden wir uns dann sehen. nein, nein, sei beruhigt, ich falle in keinen religiösen wahn in meinen alten tagen. aber allmählich bin ich mir sicher, dass da noch was kommt, weil es anders nicht geht. aber das kannst du nicht verstehen. vielleicht später einmal. warten. ein ganzes leben lang warten. und je schöner die wenigen augenblicke, desto größer die angst. deshalb hat das mit den paar anderen dann auch nicht mehr funktioniert. immer musste ich mich irgendwann zurückziehen, grenzte mich ab, ließ ab einem bestimmten zeitpunkt niemand mehr an mich heran. nichts verstehst du. bücher liest du. bücher. und glaubst, das sei die bessere wirklichkeit, das wahre leben. farben sollte man ausschütten in die mittagssonne. und jeden freitag kalter aufschnitt. grässlich. manchmal starren die mich an. kommen ins zimmer. diese augen. böse, böse augen, wandern herum. ich habe angst. nein, du bleibst jetzt. immer gehst du einfach. was glaubst du, wie es mir geht, wenn ich höre, wie du die tür hinter dir schließt, sehe, wie dein gesicht sich entspannt, du bleist jetzt, hier auf dem stuhl. wenn du hunger hast, kannst du den kuchen dort essen. ist nicht so schlecht. oder ekelst du dich. jeden tag esse ich das, jeden tag. seit jahren. und du ekelst dich. lässt es zu, dass man mir so ein ekelhaftes essen serviert. du hast vergessen, dass ich dich bekocht habe. gulasch. am liebsten hast du immer gulasch gegessen. saftiges fleisch braucht es dazu. zuerst zwiebel in butter goldgelb werden lassen, mehl zum binden drüberstreuen, dann das fleisch dazu, paprika, nicht den scharfen, rosenpaprika, ein lorbeerblatt, salz, pfeffer, eine tomate, geschält. so hab ich dirs immer gemacht. und nur das beste fleisch hab ich genommen, dieses stück da wo etwas mehr fett ist, wie heißt denn das, du weißt es ja auch, so sags schon. egal, du weißt ja was ich meine. der metzger hinter der domkirche hatte das beste fleisch. kannst du das fenster öffnen. zwischendurch brauch ich frische luft. frische windeln und frische luft. du musst mir die windeln wechseln. nein, nicht die pflegerin, nicht die trampel, du machst das jetzt, ich hab keine lust mehr. mach sofort das fenster zu. es ist kalt hier, sehr kalt. wenn in der nacht in der mauer geklopft wird, wenn sie mich wieder nicht schlafen lassen, dann ist es immer sehr kalt im zimmer. das kälteste zimmer hat man mir gegeben. sie wissen, dass ich mich nicht mehr wehren kann, sie machen mit mir, was sie wollen. ganz das letzte zimmer vom gang. von diesem langen gang. da kommt natürlich kein besuch, alles ist so weit, niemand findet mich hier, kein mesch. und diese kälte. weil ich die letzte bin. alle kommen vor mir dran. schon hundertmal hab ich um ein anderes zimmer gebeten, gebettelt. dich auch. und auch du hast nichts gemacht, dir ist ja alles gleich. du lässt mich hier erfrieren, sie sparen. das ist die wahrheit und jetzt bleibst du, bis ich fertig bin. wer bist du denn schon. wenn ich die sterbeglocken vom friedhof höre. es wird wohl wieder schlechtes wetter geben. ich bin so müde. gib mit deine hand und lass mich ein bisschen schlafen, ein bisschen sterben. der einzige wunsch, den ich noch habe. nicht alleine sterben. du musst hier bleiben, ich hab sonst niemanden. alle anderen haben sich verkrochen, versteckt in ihre löcher, vergraben unter der erde. ich schlafe, ich schlafe, deine hand, sie bleibt, hat zu bleiben. zuneigungen, gesichter. die musik, vergessen. siehst du. ich habs gewusst. du bist hier geblieben. ich will mich auch gar nicht mehr beklagen. schöne hände hast du. wie vater. der hatte auch nie viel gesprochen, aber seine hände haben so viel erzählt, da brauchte man wenig hören. wir verstanden sofort. hol mir doch aus dem wohnzimmer das fotoalbum. warum geht das nicht. ja, ja. das heim. natürlich. und weil mir das öfters passiert und weil mir die sprache fehlt, denkst du natürlich sofort wieder, ich sei völlig verrück, ganz ausgelebt. so lass mich doch in frieden. nein, ich will jetzt nichts essen, ich hab keinen hunger, hab mir ja grad eben was gekocht. bist du denn blind. schau doch nach in der küche. dort steht noch alles. hab gekocht und gegessen, wie immer. heute waren wieder einmal spagetti dran, ein frische tomate, etwas feingehackte zwiebel, eine kloblauchzehe, sonnenblumenöl, kein olivenöl nein, das stinkt ja erbärmlich, oregano, am ende ein stück butter, das ist wichtig, weil sonst alles zu intensiv schmeckt. heute nimmt sich ja kaum mehr jemand zeit. das war ein urlaub, meer, sonne, gutes essen, wunderbar haben wir gegessen, jeden tag frischen fisch, salat, wein. da auf der insel die grotte, diese bekannte grotte, weißt du nicht, die kennt doch jeder, das gibts ja nicht. jedenfalls der schöste urlaub, den man sich vorstellen kann. und die liebsten leute. was haben wirs lustig gehabt. da war so ein großer fischer, trinkfest, offen, das war ein mann, ein ehrenmann dazu, der hatte manieren, hatte charakter. ein freund. und konnte wunderbar kochen. mein gott, wie lang mag das her sein. du musst mit mir nocheinmal dorthin fahren. was heißt, das geht nicht. du willst nicht, das ist alles. schämst dich wohl mit mir. dabei hätte ich allen grund, dass ich mich wegen dir hier schäme. schau, was aus dir geworden ist, nichts, etwas akademisches, dich brauch ich hier nirgens herzeigen. wenn du wenigstens einen abschluss hättest, einen titel. nein, du brauchst dich wegen mir ganz bestimmt nicht zu schämen, hast keinen grund dazu. ich hab mir meine paar ersparnisse alle alleine, hart und ehrlich verdient, und jetzt kommt ihr jungen, ihr rotznasen, und macht euch über unsere plagen lustig, über unser leben, über unser land. euch ist ja alles egal. ihr sagt, dass ihr euch für was der teufel interessiert, kommt euch unglaublich offen vor. doch wie weit reichts denn damit. nicht einmal bis vor die haustür. dort habt ihr schon eure grenzen. lasst niemand mehr hinein, niemand kann euch näher treten, die alten steckt ihr in diese löcher. weißt du eigentlich, wieviel leute in der wohnung lebten. hast alles vergessen natürlich. da waren vater und mutter, du und ich, und zwei zimmerherren. jahrelang. es war nicht schlimm. du lebst jetzt alleine dort und beklagst dich, es sei zu eng. so seid ihr. weltverbesserer, walfischschützer, bäumeheger. dass ich nicht lache. da kommen euch die großen tränen, wenn ihr ein umgeknicktes bäumchen seht, oder ein bisschen seife im see. die menschen aber sind euch egal. nur kein geld spenden, nur nichts auslassen. erfinderisch seid ihr in den ausreden, da fällt euch allerhand ein. nehmt und gebt nichts ab. kein stückchen. nur worte. reden haben wir euch gelernt. und ihr habt nichts andres mehr getan und so lange, bis uns eure worte erschlagen haben, bis wir alle in den heimen waren. so lange redet ihr auf uns ein, bis wir es wirklich glauben, einige sind freiwillig hierher gekommen, sie haben alles verloren, auch die möglichkeit, ihren hass loszuwerden. sie wolltens ja selber so, haben eingesehen, dass es zuhause nicht mehr funktioniert. und nun sitzt ihr da und freut euch, wie gut ihr reden gelernt habt, so gut, so perfekt, ihr habt uns ins elend geredet. jeden tag. wenn jemand mit uns redet, dann wie mit einem kind, wie mit grenzdebilen, wie mit haustieren. was würdest du sagen, wenn ich dir über mein sexualleben erzählen würde, über meine lieben, jetzt. nicht das alte zeug von früher, nein von heute. ich und der sex in den nassen windeln. wie das ist. gewaschen zu werden von lieblosen händen, gewaschen dort, zwischen den beinen, erbarmungslos, gefühlslos. auch diese gefühle habt ihr uns weggeredet. wenns hochkommt bietet ihr uns alterssexualität an. als obs dann anders wäre. du weißt nichts von unseren sehnsüchten, von den stichen in der brust, von den eifersüchteleien hier. ihr schickt uns den pfarrer, und der fragt nicht einmal mehr nach dem sechsten gebot. partner sagt ihr, lebensgefährte. nein, geliebte. das ist es. das wollen wir, und das gesteht ihr uns nicht mehr zu. in lange ausgewaschene unterhosen steckt ihr uns. weiß der teufel, oft wünsch ich dir die hölle. kinder habt ihr aus uns gemacht. wir müssen wieder lügen, uns verstecken, uns schämen. was willst du denn jetzt zu hause. dir läuft nichts davon. du verteidigst doch immer die freiheit. dann nimm dir die freiheit und bleib hier. stell dir vor, wie schön das wäre. wir beide hier. du bekommst das nebenzimmer, wir lassen die wand hier abtragen. den fernseher stell ich zu dir hinüber, mich interessiert das nicht mehr. du holst aus der küche die mahlzeiten, wir machens uns ganz gemütlich. nein, nicht gehen. man darf wohl noch träumen. den ganzen tag träumen wir hier, alleine. deshalb ist es schön, wenn du da bist, wenn ich dir meine träume erzählen kann. siehst du den baum da draußen. da hängen wir alle unsere träume auf und hoffen, dass ihr sie auch seht und liest. aber ihr seht nur die bäume, nicht die träume. weil ihr nichts sehen wollt, weil ihr nichts hören wollt. hinter dem baum ist der friedhof, die äste wachsen oft in die gräber hinein, und am nachmittag, bei schönem wetter im sommer, reichen die schatten der äste bis hier aufs bett, dann holt mich manchmal der baum und führt mich direkt aufs grab. kein grund zum lachen, du nicht, du hast keinen grund. natürlich lachst du, lachst mich aus, du. früher war das anders, ganz früher. du warst ja ein liebes kind. so lieb. konntest mit deinen augen alle herzen erobern, jeder hat dich gemocht. einmal, als du aus dem fenster schautest und ich dich ermahnte, vorsichtig zu sein, weil du ansonsten aus dem fenster und auf die wiese fallen würdest, hast du geantwortet, das tut der wiese nichts. so warst du damals. aber nicht lange. bist dann bald verschlagen und falsch geworden. bis heute. der baum da. wenn ich aus dem fenster fallen würde, so tät die wiese auch keinen schaden davon tragen. wie oft. jeden tag diese gedanken. nicht auszuhalten. mit niemandem darüber sprechen können, die sind ja alle schon völlig verblödet, da ist ja niemand mehr im kopf in ordnung. dann sitz ich hier, oder lieg und denk immer wieder, dass diese paar schritte, diese kleinen paar schritte doch nicht zuviel verlangt sind. nur hin bis zum fenster, öffnen und dann noch die kraft haben, sich mit den armen hochzuziehen und die freie luft für einen augenblick spüren. jemand könnte helfen. über den baum direkt ins grab. soviel kraft gibt es überall. und motoren und raketen. ich würde nur so wenig kraft brauchen. nur von hier aus dem fenster. nicht einmal sterben kann ich allein. aus dem bett fallen ist das einzige. sich mit mühe an den rand rollen und dann den halben meter hinunter. das sind keine garantien. und wenn man das einmal mitgemacht hat, fehlt einem zum zweiten mal der mut. die ganze nacht bin ich auf diesem kalten boden gelegen, später dann auch noch im eigenen urin. und keine hilfe. die morgentrampel hat dann geschumpfen über die sauerei. schimpfen, verstehst du. sie schimpfen mit uns. wir bezahlen ihren lohn, und sie schimpfen. so viel geduld hat kein gesunder. du würdest alle umbringen. jähzornig warst du schon immer. jetzt versteckst du das hinter deinem sauren lächeln, aber als kind bist du rasend geworden, wenn du beim spielen verloren hast, wenn nicht alles nach deinem kopf gegangen ist, hast dir aus hilflosigkeit die haut um die fingernägel so wild weggebissen, dass wir dich einmal zum arzt bringen mussten. hier wärst du schon lange in der sonderstation. eine ganze nacht lang liegen. zuerst spürst du nur schmerzen, nur dieses stechen in den knochen. und keine stimme. keinen laut bringst du hervor, dabei würde es genügen, ein paar laute schreie durchs haus zu schicken. irgendwann würde dann vielleicht doch jemand kommen. aber nichts. nicht einmal die lippen bewegen sich. und durst. und die blase. da vergisst du die schmerzen bald. die schmerzen sind ja die kleinsten leiden. daran kann man sich gewöhnen. davon stirbt keiner. aber dann. da liegen. die kälte, die langsam in die knochen dringt, der kalte urin im nachthemd, die ersten morgenstrahlen. grau in grau. und am ende, am ende kommt die trampel und schimpft. und erzählt alles natürlich im ganzen haus umher. gleich dem nächsten, dem sie begegnet wird alles bis ins kleinste detail weitergegeben. wenn du das nächste mal am tisch sitzt, spürst du diese schadenfreudigen blicke. ins bett gemacht, was. geht halt bald dem ende zu, drecksau. das denken sie sich und betrachten dich von oben bis unten und ein tag ist wieder vorbei, wo endlich was passiert ist. nein, soviel zeit wirst du doch noch haben. wenn du schon einmal hier bist, will ich auch was von dir haben. zieh dir doch endlich deine jacke aus, das sieht ja aus, als ob du jeden augenblick aufspringen und hinausstürmen müsstest. machs dir ein bisschen bequem. oder glaubst du, dass es hier drinnen nicht auszuhalten ist. warum lässt du mich denn dann hier noch leben. beruhige dich. bleib noch ein bisschen. bist ja noch jung, hast soviel zeit vor dir. ich hingegen werd dir nicht mehr lange auf die nerven fallen. dann kannst du tun und lassen was du willst. erinnerst du dich noch an den, du weißt schon, der mit diesen großen augen, im sommer, der hat es mit den touristinnen gehabt, so ein großes muttermal am hals. sein bruder hat studiert, ist dann ein hohes tier geworden, früher war der manchmal im fernsehen. aber sicher kennst du den. die kinder. vater hätte sich sicher daran erinnert, der hat nichts vergessen, den konnte ich immer alles fragen. vater. ein kämpfer, aber gutmütig. nur wenn er ein paar gläser zuviel erwischt hat, ist er bös geworden. die mama war allerdings schlau genug. sie hat dann immer bei der oma übernachtet, bis er seinen rausch ausgeschlafen hatte. was wollt ich dir erzählen. nicht vom vater. jetzt hab ich das auch vergessen. hörst du mir denn eigentlich zu. ich glaube, du denkst nur ans weggehen. da mach dir keine sorgen. hier ist noch jeder wieder hinausgekommen. so oder so. so lang kann ein tag hier sein. und immer geben sie uns die falschen medikamente. jeden tag was anderes. ich weiß ja genau, jeden tag vier oder fünf pillen, je nach dem. aber ich bekomme manchmal zehn, manchmal überhaupt nichts, meistens nur eine oder zwei. wenn ich was sage, gibt es als antwort höchstens ein ja, ja, aber natürlich, das bringen wir gleich in ordnung, kein grund zur aufregung, ich komm gleich wieder. und husch sind sie verschwunden, die trampeln, bis zum nächsten tag, dann hab ich bereits alles vergessen und kenn mich oft selber nicht mehr aus. zuhause am fenster sitzen, den kindern im hof zusehen, gemeinsam essen. nimmst du mich wieder einmal mit. warum geht das nicht. du kannst mich doch tragen. wieg ja fast nichts mehr. siehst du nicht, wie ich abgenommen habe. das essen ist derart langweilig, mir fehlt oft jede lust, oft hab ich auch in den händen zu wenig kraft, kann das besteck nicht mehr halten. es schmeckt ja alles gleich. fast kein salz, pfeffer sowieso keiner mehr, das fleisch so zäh, dass es niemand beißen kann. du. du könntest. aber du willst nicht. ich weiß. einmal noch möchte ich in meinem alten bett schlafen, die fotos sehen an der wand. die hast du wohl etwa nicht weggenommen. das sind wertvolle rahmen sag ich dir. die sind ein vermögen wert heute. so etwas würd ich gerne nocheinmal machen. vor der eingangstür der fliederstrauch, der geruch nach altem holz aus dem keller, die waschküche. was heißt, ich kann das ja gar nicht mehr sehen. dann erzähl mir halt. und so schlecht sind meine augen dann auch wieder nicht. lesen geht nicht mehr, nein. aber ich sehe den baum draußen und auch den friedhof. ich sehe leicht genug. und zu hause brauch ich nichts zu sehen. nur dort sein. dann könnte ich die augen schließen, das sehen würde ganz von alleine kommen. all diese zeit. während des krieges haben wir den bombern zugeschaut, wie sie über der stadt gekreist sind. alarm. das sausen, die explosion. ja, ja, es war schrecklich. doch mit vater so den flugzeugen zuschauen, seinen arm spüren, soviel sicherheit wie sonst nie. wir waren nur einmal im luftschutzkeller. dort waren so viele leute, die meisten hysterisch. die leeren blicke, das unterdrückte weinen, falscher trost eines gläubigen. oben war es leichter zu ertragen. im luftschutzkeller sind später über zehn jämmerlich ertrunken, weil eine bombe die wasserleitung zerfetzt hat und das wasser in strömen eingedrungen ist. die meisten sind wohl zertrampelt worden. schrecklich. wenn die flugzeuge dann wieder abdrehten, war es oft wie nach einem gewitter. aufatmen. viel ist ja bei uns nicht passiert. nie mehr krieg haben sie dann geschrien. dieselben haben vorher das gegenteil behauptet. du könntest mich ja morgen hinbringen. schau mal im kasten nach. nein, nicht da. dort hinten in dem eck, da muss noch meine jacke sein, die ist noch fast neu, ja neu ist sie. was wühlst du denn dort. jetzt bring mir die jacke. hat damals viel geld gekostet. reine baumwolle. pass doch auf. kannst du denn nie etwas ordentlich hinlegen. schau deine schuhe an. wie alt die sind. alles lässt du verrotten. schau wie du aussiehst. wenigstens kämmen könntest du dich. was glaubst du denn, was ich hier für eine figur mit dir mache. die glauben ja alle, dass du dirs nichts leisten kannst. zumindest mir zu liebe könntest du dich ein bisschen pflegen. kauf dir was anständiges. dort drüben ist geld. ich brauch hier ja nichts mehr. dafür bleibst du heute aber ein bisschen länger. du könntest ja auch hier übernachten. ich kann in meinem stuhl hier ganz gut schlafen, und du könntest dich ins bett legen. ja, ja. aber du gehst doch nur in irgendeine dieser kneipen, gibts sinnlos geld aus, da kannst du doch gleich hier bleiben. hier sind wir alle gleich. alle sind wir gleich, ohne ausnahme, jeder ein bisschen gleicher, wir werden gefüttert, gewickelt, gefoltert, blutegel setzen sie uns an, schlangen in die betten, wir fliegen davon, wir sind um jahre voraus, das ist es, was uns stark macht. wir sind schon viel weiter als du mit deiner zukunft. deine zukunft ist tiefste vergangenheit. die haben wir schon hinter uns. blumenbeete, schau doch, wie schön die rosen dort auf dem grab blühen. es ist eine wahre freude so ein friedhof. komm her zu mir. setz dich. hier neben mich aufs bett. siehst du, so möcht ich wieder einmal sitzen können, ohne angst. mit dir. die meiste zeit sitzt hier niemand. du bist fast nie hier. allein. allein in diesen wänden hier. das klopfen, der gestank, allein. niemand der kommt. alle haben sich versteckt. ich seh sie. da gehen sie den gang entlang bis vor die tür und dann lauschen sie zuerst, dann öffnen sie leise die tür, schleichen sich heran, beobachten mich, bestehlen mich, im ganzen zimmer schwirren sie umher, suchen immer nur geld oder was wertvolles, glauben, dass ich sie nicht sehe, nicht höre, fast jeden tag sind sie hier. ich brauche nur kurz einzunicken, dann kommt sicher gleich jemand, diese toten geister, sie kriechen durch die türspalten, durch die fensterritzen. da, da unter dem teppich. ja, so heb doch den tepppich hoch, da drunter hat sich eine versteckt, ganz flach, die liegt da immer, frech, wartet, bis ich wieder alleine bin, dann wühlt sie im schrank, bringt alles durcheinander, stiehlt den schmuck, fast alles haben sie mir schon gestohlen. so tu doch was. nimm den besen und schlag sie tot. dort drüben, nein, nicht hinterm schrank, hinter der tür. schlag einfach drauf, schlag sie tot, das merkt hier ja niemand. was wartest du denn. du glaubst mir wieder nicht, findest, dass ich verrückt bin, was ist denn. willst du, dass die mich noch ins grab bringt. so hau doch drauf. du hast ja noch genügend kräfte. hau fest. das biest ist zäh. so ja. fest, fest, hör nicht auf, weiter, weiter. ja siehst du denn nicht, wie sie da unter dem teppich liegt und sich windet. und weglaufen möchte. da, die ränder darfst du nicht vergessen. steig mit deinen schuhen dort an den rand. so kommt sie nicht aus, jetzt sitzt sie in der falle, jetzt schlag zu, wunderbar, so schön bist du, wenn du arbeitest, jung, noch einmal schlag zu, zur sicherheit. so ists gut, das war sehr lieb von dir, öfters hier solltest du sein. dann könnte ich leben, dann würden sie mich in ruhe lassen, hätten angst vor dir, wir könnten jeden tag was feines essen, hier im zimmer, oder ausgehen. es gibt ja so viele restaurants, so wunderbares essen. wir gerne ich gut gegessen habe. früher. da schmeckte noch alles anders. alles frisch. auch im krieg. nie gehungert, nie not gelitten, immer alles frisch, alles sauber, alles gut. hier füttern sie uns wie schweine. öfters müsstest du hier sein, diese schlangen vertreiben, erschlagen. aber dir ist ja alles egal. nimm den teppich und schüttle das biest ins klo. braucht niemand zu wissen. die fehlt sowieso nicht. ist ja fast die ganze zeit bei mir gewesen, da wird sie wohl niemandem abgehen. und gut spülen. hörst du. drück noch einmal. lass nur genug wasser hinunter und wisch den staub vom teppich weg. hörst du mich. nimm den lappen, der unter dem waschbecken hängt. pass ja auf, dass du nicht meine kleinen waschlappen benutzt. was machst du denn so lange da draußen. so komm doch wieder her. wird sowieso jeden tag geputzt. jetzt komm doch, leg den teppich wieder auf seinen platz, nicht so rum, das ist ja verkehrt. hast du denn keine augen im kopf. ja, endlich. die sind wir los. miststück. du weißt ja nicht, wie lange sie mich schon geplagt hat. jeden tag dort unter dem teppich. wie sie schon immer hereingeschlichen kam. dieses süßliche, untertänigste gewinsle, die stimme wie honig und paprika in einem, jeden tag. und dann hat sie gewartet dort drunten. die schlange. bis ich eingeschlafen war, bis sie glaubte, ich könne nichts mehr sehen oder hören. das schwere armband, die münzen, alles weg, nur der ring hier ist geblieben. an meine knochen hat sie sich doch nicht getraut. ein schöner ring, massives gold, hat damals ein vermögen gekostet, ich konnte mir das leisten. du musst noch ein bisschen bleiben, nicht lange. nur bis sich alles wieder gelegt hat, bis ruhe eingetreten ist. man wird sie natürlich bald suchen, die polizei wird kommen, alle möglichen leute, es wird etwas aufregend werden, du kannst jetzt nicht raus. geh noch einmal ins klo. spül nach. sicher ist sicher. also bleib. du hast jetzt zeit. zeit ist das wichtigste. sie haben keine zeit. immer klagen sie über zu wenig zeit. und die haben wir im überfluss, da sind wir ihnen überlegen, konkurrenzlos. und du gehörst jetzt doch irgendwie auch zu uns. du brauchst jetzt zeit, ich kann dir davon geben, soviel du willst. niemand wird sie in meinem klo suchen. wenn du hier bleibst hast du keine probleme. du hast nichts mit ihr zu tun, mich verdächtigt niemand, ich bin selbst schon ein kadaver für die. setz dich also, nein, entspann dich doch. warum dieses gesicht. keine falle, nein. weshalb sollte ich dir eine falle stellen. aber mit diesem biest war nicht mehr zu leben, ich bin handlungsunfähig, also musstest du mir einen gefallen erweisen. werd ja nicht rührselig. das steht dir nicht. mich würdest du anstandslos noch ewig hier zugrunde gehen lassen. bei dieser schlampe machst du dir gedanken. ist doch schön hier. klein aber fein. so hast du ja auch immer gesagt. das nötigste ist vorhanden, mehr braucht man nicht. ein seniorenpradies. so stand es letztes jahr in der zeitung. schweine. wir werden uns umbringen. auch das habt ihr uns verboten. die uns helfen, steckt ihr ins gefängnis. wir sind schon im gefängnis. dreimal im tag gefüttert. das scheißhaus unter dem arsch. selbst zur messe schieben sie uns damit. der herrgott erstickt jeden sonntag aufs neue an unserem gestank. gestorben für die menschheit, krepiert an den fürzen der verwesenden. jetzt gib schon ruh. leg dich aufs bett. wenn in der nacht die geräusche kommen, wenn das licht sich von alleine ausschaltet, wenn die augen dir in den schlund, die zähne aus dem mund fallen, klopfen, schlagen, überall die schmerzen, der lärm, dann manchmal diese dunkelblauen, tiefen bilder, am rand ein heller kranz, wie eine sonnenfinsternis, schön wie sie sich durchs auge bewegen, fließen wie fische in aquarien, schwerelos, vor, zurück, auf und ab in einem. das erwachen, die wände und gleich das gekreische der trampeln, überall kleben sie, picken an den spiegeln, zwischen zeitungsblättern, blitze gibt es auch und donner, ganz ungeheuerlich, alles bricht zusammen. wieder aufwachen, immer wieder aufwachen und immer wieder bilder. solch eine sehnsucht. nie mehr aufwachen, nie mehr angst. nur die punkte bleiben und der helle schein, wie sie so wandern durch den raum, ohne ziel, wir mit ihnen, alles punkte, nicht gut, nicht böse, nicht schnell, nicht langsam, nur punkte und nichts als das. manchmal seh ich es ganz genau, alles zerfließt, löst sich langsam auf, ohne gewalt, wie der schnee, wie weiße flocken, ohne liegen zu bleiben, ständig fallen, ohne anzukommen, ständig in netze stürzen, in federweiche netze, felder sind das, wiesen, manchmal ganze wälder, in die wir fallen. von oben sind wir riesengroß, und dann so langsam werden wir immer kleiner, immer unscheinbarer, nur mehr punkte und sinken in die erde und wieder durch sie durch und landen dann draußen vor dem baum auf dem friedhof, bis wir wieder aufwachen und ich noch immer in diesem verdammten zimmer bin, in diesem käfig, leichenhaus, tod. alle die hier sind, kommen um zu krepieren. oder werden einfach hergeschickt. von solchen menschen wie dir. kein platz zuhause, keine zeit, keine möglichkeit. hier aber wär euch nichts zu teuer, seid bereit, zu allem ja zu sagen, zu allem danke und gott sei dank, noch nie hat einer von euch protestiert, gestreickt, gekämpft. sonst reißt ihr ja auch euer maul wegen jeder kleinigkeit auf, aber hier habt ihr angst, dass die politiker sagen könnten, na gut, dann behaltet ihr euch diese kadaver halt zu haus. und davor graut euch, davon träumt ihr schlecht, eure freiheit würde aus eurem armseligen leben davonrinnen, wie zäher rotz. hörst du, sie kommen, suchen die trampel, werden alles durchwühlen, sich nicht scheuen, auch uns noch zu verdächtigen, ja sie schrecken vor nichts zurück, werden eine menge gründe finden, uns zu demütigen, das essen schlechter, keine nachtschwestern, die leibschüssel nicht mehr ausleeren, bis sich der gestank in dein fleisch gefressen hat. sie suchen sicher auch hier, aber sie werden nichts finden, nur dich, sonst nichts mehr. dir können sie nichts tun, du bist einer von ihnen, sie wissen nichts, wissen nichts von dir, dass du eigentlich schon zu uns gehörst, sie werden ihre untersuchungen auf falsche annahmen aufbauen, du bist sicher bei mir. bleib ruhig. ich erzähl dir inwzischen ein paar geschichten. je länger ich lebe, desto mehr geschichten fallen mir wieder ein, wunderschön lange geschichten, die ich mir oft tagelang selber erzähle, es sind die schönsten märchen, von denen noch niemand jemals etwas gehört hat, ich weiß märchen für ganze kindergenerationen, könnte alle hysterischen mütter entlasten, fernsehprogramme ersetzen, jahrelange fortsetzungsreihen produzieren. die worte spielen dann allein und finden zu sich, wie die farben, wie musik. wenn du ans fenster gehst, ist die luft draußen weich, sie trägt dich ohne probleme, aufwinde an den außenmauern, es geht sich bequem auf luftpolstern. du brauchst nur zu warten, lass sie kommem, alles untersuchen, antworte auf keine fragen, jede antwort ist ein teil einer schuld. verweigere alles, schieb alles weg. sie lassen dich in ruhe, sie brauchen dich noch, weil sie das geld brauchen, das sie durch dich an mir verdienen. sie haben dich so viel besser in der hand, können dich jederzeit aussaugen, bis ans ende deines kontos und noch weit darüber hinaus, lebenslängliche kredite. du hast keine wahl. sie auch kaum. ich habe alle freiheiten. ob ich bleibe oder gehe ist egal. das sind absolute freiheiten. wie dieser geruch im herbst, wenn du spazierengehst, irgendwo im grünen, am frühen morgen, nebel dampfen, die ersten sonnenstrahlen auf einen haufen welker, schon modernder blätter, da steigt dieser geruch in deine nase, süßlich, frisch, tötend und belebend zugleich, die elemente arbeiten mit der zerfall. es geht nichts verloren, verscharrt ihr uns, kommem wir irgendwann in euer grundwasser, das ihr euch schön gekühlt auf den nachttisch stellt, verbrennt ihr uns, gelangen wir direkt in eure lungen. es lebt sich weiter, sei also ganz beruhigt, das leben, das sterben, das ist ja alles viel näher beieinander. ihr glaubt noch immer, dass da ein paar samenfäden auf eine eizelle zu stoßen brauchen, ihr glaubt wirklich noch an eure eigene kraft im körper, dass die da läge unergründlich, und mit ein paar müden geilen stößen würde sich ein neues leben bilden. diesen schwachsinn glaubt ihr wirklich noch. woher sollte denn die kraft kommem. aus den runzligen schwänzen, den verfilzten mösen. lächerlich. solche kraft könnt ihr euch nicht einmal ertäumen. wir sind am werk. immer wieder, und einfach so, ohne grund, aus langeweile, weil wir nichts besseres zu tun wissen, weil uns die zeit nicht vergeht, weil es so sein muss, weil die kraft gebraucht werden will. ihr zeugt und wir kriechen aus euch wieder heraus, bevor unsere knochen völlig zu staub geworden sind. was willst du jetzt machen. hast sie umgebracht, die schlampe. da liegt sie, der brei, der rotz. da unter dem teppich. und du warst es. natürlich. wer denn sonst. mir traut das keiner mehr zu. wie sollte ich. kann nicht mehr gehen, nicht mehr reden, nichts mehr, nur fressen und scheißen. du schwein. da hast du eine umgebracht. was kann denn die dafür. wer bist du denn eigentlich. glaubst einfach leute auslöschen zu können. hast geübt, damit dann auch bei mir nichts mehr schiefgeht. ja, nur zu gerne würdest du. kaltes herz. steine. nur steine kennst du. dein lachen, dein mund, der zuckt. was willst du denn noch. wohin willst du denn gehen. hier kommst du nicht mehr hinaus. hier bleibst du und bleibst bei mir. geh hinaus und dein leben endet hinter gittern. draußen gibt es keines mehr, für solche schweine wie dich. so erbärmliche feige handlanger des todes, aus angst jede menge leichen, eine todesfabrik in einem einzigen menschen. bei mir musst du bleiben, sonst ist kein weg mehr offen für dich, es ist alles zu, es ist schon zu ende, du hast hier verloren. ausgetrickst. nein. nicht ich. du selber hast dir das eingebrockt. hättest du mir einmal diese verdammte spritze gegeben, ein pulver, einen löffel zucker mit irgendwas. wie oft hab ich gebettelt und wie oft hast du mir hämisch geantwortet, das sei gegen die menschenwürde, dabei hattest du bloß angst, feige warst du und kalt. jetzt weißt du wie das ist. kein ausweg für dich. aus dem fenster zu springen traust du dich nicht. hast keinen mut und angst vor den schmerzen. angst, nur angst, kalt ist sie und heiß rinnt dir der schweiß die schläfen herab. es freut mich. ja, das kann ich ohne mitleid sagen, schon lange hat es in diesem zimmer keine freude mehr gegeben, aber heute ist ein großer tag für uns alle hier. die wände trinken deine angst und der boden das blut von dem weib. sieh, wie sie da liegt, willst du sie hier so liegen lassen. schaff sie doch auf den balkon, der gestank ist nicht auszuhalten. bald wird es dunkel, bald kommt das abendessen, wie willst du denn die leiche im zimmer lassen. die stinkt ja schon. vollgeschissen. der schließmuskel im arsch. wie konntest du nur. nicht ich, nein du warst das. du alleine. wo willst du denn jetzt hin. so wart doch. es würde dir nichts nützen. du hättest kaum das haus verlassen, dann wären schon die verfolger hinter dir her. ich würde sie dir nachschicken. schreien kann ich noch, jawohl, meine stimme funktioniert nicht so schlecht, ich würde schreien und alles sagen, und da nützt dann kein laufen mehr, kein auto, sie würden dich bald haben und jämmerlich erschießen, wenn du dich nicht ergeben würdest. mich. ja mich kannst du jederzeit abmurksen. und was würde es dir bringen. zwei morde. mir ist das egal. mir tätest du einen gefallen. ich fürchte mich schon lange nicht mehr vor dir. früher. früher hatte ich angst. ob du wohl kommen würdest und wie lange und wie deine laune sei. zu oft hast du mit deiner ganzen kälte die nachmittage hier verbracht und mein sterben unerträglich gemacht. das ist eine andere wirklichkeit. jetzt. da liegt eine leiche. deine leiche. bald werden blumen aus ihr wachsen, stimmen aus dem fleisch aufsteigen, bald wirst du sie rufen hören, sie werden nur dich rufen, immer wieder, diese schreie, die keine angst mehr ausdrücken, keine anklage mehr, und umso stärker wirst du sie spüren. der tod. das sterben. vor dem tod fürchtet sich hier niemand. wir warten hier ja alle drauf. aber das sterben. dieser mühsame weg, das fleisch zur ruhe zu bringen. wie ruhmlos, erniedrigend. hier gibt es keinen, der in ruhe krepiert. hast du schon einmal einen pfaffen bei der letzten ölung erlebt. was die sich alles trauen, die schweine. selbst die beichte nehmen sich uns noch ab. wir und beichten. wir und sündigen. dabei läuft diese monotone stimme durch den ganzen raum, man kann die verwesung riechen und das fahle gesicht des pfaffen dazu, der, ungerührt der leiden, seinen vertreterjob verrichtet. am ende räumt er alles so sorgfältig wieder zusammen, wie er vorher alles aufgestellt hat, das kruzifix, die zwei kerzen, seine stole, sein vereinsabzeichen. in die kirche bin ich immer gerne gegangen. das gebrochene licht, der hohe raum, statuen, gemälde, marmorsäulen. keinen schöneren ort hat es gegeben, als sich ein bisschen auszuruhen und in gedanken dahintreiben. hast du die kapelle hier im haus schon besichtigt. natürlich nicht. du kannst es dir leisten, da nicht einmal hineinzuschauen, du gehst am abend aus, in deine lokale, in deine kirchen. ich aber. in dieser kapelle, in der es nach leichenhalle riecht, nach kaltem sarg, nach torschluss eines ausverkauften warenhauses. wir sind bloß noch wertloser verpackungsmüll. in dieser kapelle fällt dir nur noch der tod ein, fällt dich an, du kommst nicht davon los, und der geruch nach ungewaschenen körpern, nach dem sterilisierungsmittel aus der wäscherei im haus, nach dünnem, verwelktem haar, behandelten hühneraugen, schleim aus den bronchien, blinde augäpfel in toten höhlen, zitternde knochen mit hautkrebsflecken, der eiter von wunden, das blut unsres herrn. der herr pfarrer schleicht um die mauern. für ihn ist das hier eine strafexpedition. keiner kommt freiwillig hierher. nur die, die schwul sind und zu blöd, das zu verschleiern, oder jene, die eine frau geschwängert haben, oder einfach sonst gestrandete. der jetzige soll es mit einer minderjährigen getrieben haben. zur strafe hat man ihn zu uns geschickt, zu den zombies. wenn er vom leben redet, haucht er uns den tod an, er stinkt aus dem mund, wie im krieg die verhungerten kämpfer, die über die frauen herfielen. du bleibst hier. die leiche im zimmer ist meine garantie. du kannst nicht mehr weg. sobald du die tür öffnest, wirst du verhaftet. ich brauche keinen fernseher mehr. bin selbst ein fernseher geworden, deiner, mit nur einem programm. ich sende ein leben. du wirst es dir ansehen müssen, gegen deinen willen, was anderes gibt es hier drinnen nicht zu tun. hundert jahre augenzeugen. verlogenes pack. in den geschichtsbüchern schreibst du die lügen um. du aktualisierst sie. alles wird neu gemacht. aber wir erkennen die niedertracht. um uns zu demütigen baut ihr uns neue häuser. mit unserem geld. ohne uns zu fragen. ihr glaubt, wir verstünden nichts mehr, redet mit uns wie mit kleinkindern, die herzlichkeit eine larve, liebkosungen judasküsse. oder würde auch nur irgendjemand von euch daran denken, irgendjemand von uns zu ficken. ihr habt uns unsere geschlechter genommen und einfach in den müll geworfen. wir werden euch vergewaltigen, dass ihr in den schreien des horrors ersauft. wir werden unsere geschlechter zurückerobern und euch damit nackt vor uns hertreiben, durch die straßen der stadt, in die kirchen hinein, vor euren goldenen göttern werden wir euch schänden.

 

 

 

In: Schriftzüge. Texte des 3. Tiroler Literaturtheaters. Haymon 1997